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Weine, die schmecken und die Umwelt schonen

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Text: Andrea Söldi, Bild: Francisco Carrascosa
Das Comeback als Winzer hat sich für Geri Lienhard gelohnt. Zusammen mit seinem Freund Hansruedi Vögeli baut er Trauben an, die nicht nur feinen Wein hergeben, sondern auch mit weniger Pestiziden auskommen. Nun haben sie eine Auszeichnung für die sogenannten Piwi-Weine erhalten.

Bild: Francisco Carrascosa. Der Weiss- und Rotwein von Geri Lienhard (links) und Hansruedi Vögeli lagert noch in den Fässern. Nächste Woche füllen die beiden ihren prämierten Saft in Flaschen ab. 

Erst fünf Jahre ist es her, dass Geri Lienhard und Hansruedi Vögeli zusammen zu winzern begonnen haben. Auf ihren Weinbergen in Teufen wagten die beiden einen Versuch mit ganz neuen Sorten. Nun sind sie für ihren Innovationsgeist belohnt worden: Bei einer Blinddegustation der Weinzeitschrift «Vinum» haben ihr Weisser und Roter das beste Resultat unter jenen von über 70 Weingütern erzielt. «Darunter waren namhafte Betriebe, die es nicht an die Spitze schafften», sagt Lienhard stolz.

Es handelt sich um eine Auszeichnung der besonderen Art: Getestet wurden pilzwiderstandsfähige Traubensorten. Mit sogenannten Piwi-Weinen wird bereits seit Jahrzehnten experimentiert. Erst in den letzten Jahren gelingt es aber immer besser, robuste Trauben zu züchten, die auch vom Geschmack her zu überzeugen vermögen. Sie kommen mit bedeutend weniger Pestiziden aus als herkömmliche Sorten (siehe Kasten unten).

Für Geri Lienhard und Hansruedi Vögeli war dies aber nicht die Hauptmotivation, auf Piwi-Sorten zu setzen. «Wir waren einfach neugierig und ich wollte nicht das Gleiche machen wie früher», sagt Lienhard. Der erfahrene Winzer war vormals vor allem für seinen hervorragenden Riesling-Silvaner bekannt. Wegen der Erkrankung an einer Depression vor rund 15 Jahren gab er den Weinbau jedoch auf und konzentrierte sich auf den Handel mit Weinen. Erst auf Initiative des Rümlangers Hansruedi Vögeli wagte er sich erneut an das Handwerk heran. Und blüht darin nun sichtlich zum zweiten Mal auf.

Gemischt bis zum Lächeln

Unter den Piwi-Sorten sahen sich die beiden um, weil sie nach Rebstöcken suchten, die den hiesigen klimatischen Verhältnissen besser angepasst sind als etwa Merlot, Cabernet-Sauvignon oder Syrah. «Nur aus vollreifen Trauben entsteht guter Wein», weiss Lienhard.

Die Freunde fuhren nach Süddeutschland, wo Piwi-Weine schon eine etwas längere Tradition haben. An einer Präsentation probierten sie sich durch zahlreiche Tropfen hindurch. «Geri begann, verschiedene Weine zusammenzuleeren», erinnert sich Vögeli. «Irgendwann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht.»

Die beiden kehrten mit 70 verschiedenen Flaschen in die Schweiz zurück und veranstalteten zusammen mit ihren Ehefrauen eine systematische Blinddegustation, bei der immer mehr ausschieden. Nur die besten acht Sorten blieben im Rennen: vier rote und vier weisse. «Anhand dieses Resultats bepflanzten wir unseren Weinberg», sagt Vögeli.

Der Weisse und der Rote vom Weingut Lienhard und Vögeli werden aus je vier Sorten zusammengemischt – oder assembliert, wie es in der önologischen Fachsprache heisst. Dies aber erst, nachdem sie alle separat gepresst und in Fässern gelagert worden sind.

Am Geschmack orientiert

Dass es sich um die zukunftsträchtigen Piwi-Weine handelt, wollten sie vorerst nicht an die grosse Glocke hängen. «Wir sind von der anderen Seite her gekommen», sagt Vögeli: «Geschmack ist uns wichtiger als Widerstandsfähigkeit.» Dass Pflanzenschutzmittel sehr gesundheitsschädlich sind, glaubt Lienhard sowieso nicht. «Sonst würden Winzer nicht alt. Besonders früher waren sie den Mitteln stark ausgesetzt beim Spritzen.» Ausserdem seien sie nicht überzeugt vom Geschmack der hiesigen Bioweine, ergänzt Vögeli.

Dennoch möchten die beiden künftig naturnaher produzieren und deutlich weniger Spritzmittel einsetzen. Ziel sei es, nur etwa halb so viel wie im herkömmlichen Weinbau zu verbrauchen, sagt Vögeli. Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass nicht alle ihrer acht Sorten gleichermassen robust sind. Dies wurde insbesondere letztes Jahr mit dem feucht-warmen Sommer deutlich. «2016 war ein Pilzjahr schlechthin», sagt Lienhard, «ein richtiger Härtetest für unsere jungen Reben.» Bei einer Sorte mussten sie denn auch beträchtliche Einbussen verzeichnen.

Gestern lagerten die acht edlen Säfte noch im kühlen Keller des Teufener Weinguts. Erst nächste Woche werden sie in Flaschen abgefüllt – der Weisse mit Jahrgang 2016, der Rote lagert ein Jahr länger. Insgesamt sollte der Inhalt für etwa 8000 Flaschen reichen. Auf der Etikette pickt ein schwungvoll gezeichneter Vogel Edelsteine aus einer Krone. Ein Bild, das perfekt zu ihrer Neulancierung passt, wie Geri Lienhard erklärt: «Genau so haben wir uns die Juwelen unter den neuen Traubensorten zusammengesucht.» 

Der Rote (24 Franken), der Weisse (22 Franken) und der Federweisse (20 Franken) vom Weingut Lienhard und Vögeli sind ab April in derVinothek Süd an der Dorfstrasse 1 in Teufen erhältlich oder könnenonline bestellt werden.Ausserdem wird er in Restaurants ausgeschenkt, zum Beispielim Goldenen Kopf in Bülach.
www.lienhardundvoegeli.ch (Zürcher Unterländer)

 

Piwi-Weine schneiden am besten ab

Am besten für die Umwelt ist Bioweinbau mit Piwi-Sorten. Das hat eine Studie der Fachhochschule ergeben.

In Rebbergen ist der Einsatz von sogenannten Pflanzenschutzmitteln allgemein be­­trächtlich. Um auch in regenreichen und sonnenarmen Jahren gute Ernten einzufahren, rücken Weinbauern den Schädlingen mit Fungiziden und anderen Pestiziden zu Leibe. Insbesondere der Echte und Falsche Mehltau – ein Pilz – und die Fäulnis bereiten grosse Probleme. Vor allem, wenn man Sorten anbaut, die eigentlich besser für südlichere Regionen geeignet wären. 

Deshalb wird seit vielen Jahren an pilzwiderstandsfähigen Sorten (Piwi) geforscht. Dabei kreuzt man alte europäische mit amerikanischen Trauben, die resistenter gegen Pilzbefall sind. Erst seit einigen Jahren sind die Piwis auch geschmacklich auf den Vormarsch. 

Bio-Piwi am besten 

Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) von letztem Jahr hat ergeben, dass Wein aus Piwi-Traubensorten unter den Schweizer Weinen am umweltfreundlichsten ist. Er schneidet sogar noch besser ab als Bioweine allgemein. Zusammen mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) haben die Forschenden die gesamte Umweltbilanz von insgesamt acht Weingütern unter die Lupe genommen. Darunter waren je zwei Biohöfe in der West- und Ostschweiz sowie je zwei Betriebe mit integrierter Produktion (IP). 

Dabei zeigte sich, dass Piwi-Sorten deutlich am wenigsten Emissionen verursachen – und dies bei beiden Anbauarten gleichermassen. Die Rebsorte schlug in Sachen Umweltbelastung deutlich stärker zu Buche als das Kriterium biologisch oder konventionell. 
Denn die Achillesferse des Bioweinbaus ist das Kupfer, das in grossen Mengen gegen Pilzbefall gespritzt wird und sich in den Böden anreichert. Kupfer kommt auch im konventionellen Anbau zum Einsatz, jedoch in geringeren Mengen. Hier entstehen hingegen mehr Belastungen durch Dünger und Pestizide. 

Auch Transport schenkt ein 

Indem bei Piwi-Sorten weniger häufig gespritzt werden muss, kann auch der Treibstoffverbrauch für die Traktorfahrten im Rebberg reduziert werden, wie der Schlussbericht der Studie festhält. Insgesamt wurden 19 Kriterien untersucht – vom Anbau der neuen Rebstöcke über die Pflege der Pflanzen und deren Auswirkungen auf Luft, Böden und Gewässer bis zum Energieaufwand bei der Flaschenherstellung und dem Transport. Weil die verschiedenen Betriebe sehr unterschiedlich arbeiten und auch nicht überall die gleichen klimatischen und topografischen Vor­aussetzungen vorhanden sind, seien die Belastungen sehr verschieden ausgefallen, schreiben die Wissenschaftler. Die Umweltauswirkungen von Piwi-Sorten sind gegenüber konventionellen Sorten zwischen 21 und 61 Prozent geringer. 

Auf der positiven Seite stark ins Gewicht fallen bei der Umweltbilanz hohe Erträge und ein geringer Verlust des Artenreichtums im Rebberg. Der Wein sollte in leichte Flaschen abgefüllt werden. Und nicht zu vernachlässigen ist auch der Transport zum Endkunden: Wer mit dem Privatauto auf ein abgelegenes Weingut fährt, um seinen Weinkeller aufzustocken, verursacht dabei beträchtliche Mengen an Treibhausgasen.