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Vom «Chreisgmeinds-Wy» zum «Gätterewy»: Hier wird Tradition in Flaschen abgefüllt

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Text: Sandro Zimmerli — az Limmattaler Zeitung; Foto: Andreas Petri
Schweizer Wein
Einzelne Gemeinden im Bezirk schenken an besonderen Anlässen eigenen Wein aus – als Reminiszenz an früher

Wenn am Oberengstringer Dorfplatzfest ab heute Abend gefeiert wird, dann darf er nicht fehlen – der gemeindeeigene Wein. Dieser ist eine letzte Reminiszenz an den einst blühenden Rebbau im Dorf. Oberengstringen ist nicht die einzige Gemeinde in der Region, die über einen eigenen Wein verfügt. Auch andernorts kommt die Bevölkerung zu besonderen Anlässen in den Genuss eines edlen Tropfens aus dem Gemeindekeller. So in Uitikon, Dietikon, Unterengstringen, Weiningen, Geroldswil und Oetwil (siehe Texte unten). Wie Oberengstringen blicken auch diese Gemeinden auf eine lange Rebbautradition zurück und erinnern mit ihrem Wein daran, dass einst sämtliche Hänge im Limmattal mit Rebstöcken bepflanzt waren. Ausser in Weiningen, dem letzten verbliebenen Rebbaudorf im Bezirk, sind diese fast komplett verschwunden.

 

Geplatzter Traum in Schlieren

Beinahe hätte auch Schlieren einen eigenen Rebhang bekommen – und zwar im Steinacher, wie der mittlerweile verstorbene alt Stadtpräsident Heiri Meier im Schlieremer Jahrheft von 2008 schreibt. Wie andernorts im Limmattal stand auch bei den Schlieremer Bauern der Rebbau bis weit ins 19. Jahrhundert hoch im Kurs. Doch ab 1880 machten die Reblaus und andere Schädlinge den meisten Rebstöcken den Garaus. Nur wenige, kleine Parzellen blieben übrig.

Der Steinacher wurde in den 1960er-Jahren als potenzielles Gebiet für eine Einfamilienhaus-Zone ins Auge gefasst. Viele Eigentümer hofften auf eine Einzonung. Doch 1976 entschied der Gemeinderat, den Steinacher im «übrigen Gemeindegebiet» zu belassen. Nun keimte die Idee auf, dort einen Rebhang anzulegen. Allerdings brachten Gespräche mit Landbesitzern nicht den erhofften Erfolg. Ein «Roter oder Weisser vom Steinacher» blieb in Schlieren ein Traum.

Anders in Aesch. Dort gibt es zwar ebenfalls keinen Gemeindewein, 2012 kam die Bevölkerung anlässlich des 888-Jahr-Festes jedoch in den Genuss eines eigenen Festweins. Passenderweise handelte es sich dabei um einen Fläscher aus der Bündner Herrschaft; ein Flaescher also, der den Namen Aesch beinhaltet. Der edle Tropfen wurde am Fest ausgeschenkt und konnte dort auch bestellt werden.

Wie in Aesch gibt es auch in Urdorf und Birmensdorf keinen Gemeindewein. Allerdings werden auf dem Waffenplatz Reppischtal Trauben angepflanzt, die später in der Flasche landen. Für besondere Anlässe, etwa Gratulationen, bestellt man in Urdorf Wein aus Weiningen.

 

Das sind die Limmattaler Gemeindeweine:

Kreisgemeinde Weiningen: Ein Reservoir steht am Ursprung

Chreisgmeinds-Wy nennt sich der gemeinsame Wein der Gemeinden Unterengstringen, Weiningen, Geroldswil und Oetwil. Seine Geschichte begann 1995 und ist eng mit dem Wasserreservoir Guldiberg der Wasserversorgung Geroldswil-Oetwil-Weiningen verbunden. Es befindet sich in Weiningen und wurde 1990 in Betrieb genommen. Nach dem Bau des Reservoirs wurde das dortige Land wieder kultiviert. Der damalige Weininger Gemeindepräsident Jakob Haug schlug vor, Reben zu pflanzen und den daraus gewonnenen Wein auf die vier Gemeinden der Kreisgemeinde zu verteilen. Der Vorschlag wurde umgesetzt.

Und so wurden dort Riesling×Sylvaner-Reben angebaut. 1995 konnte schliesslich der erste Chreisgmeinds-Wy degustiert werden. Gekeltert wird er vom Weininger Winzer Peter Vogler. Seither wird jedes Jahr im Turnus von einer der vier Gemeinden die Wy-Teilete organisiert. Dann fahren Gemeindevertreter mit Ross und Wagen auf das Weingut Vogler, um dort den jüngsten Jahrgang in Empfang zu nehmen. Zur Tradition gehört auch ein Halt beim Seniorenzentrum Im Morgen Weiningen. Die Bevölkerung kommt etwa nach Gemeindeversammlungen in den Genuss des Tropfens. 

Uitikon: Einer der höchsten Rebberge im Kanton

Der Uitiker Rebberg liegt in der Gätteren, auf einer durchschnittlichen Meereshöhe von 625 Metern. Er ist damit einer der höchsten Rebberge im Kanton Zürich. Seine Geschichte geht auf das Frühjahr 1978 zurück. Der damalige Primarlehrer Rolf Seidl unterbreitete dem Gemeinderat die Idee, in der Gätteren einen gemeindeeigenen Rebberg zu errichten. Am 14. November 1979 erteilte der kantonale Rebbaukommissär die Bewilligung, das zwischen Ringlikon und Waldegg gelegene Grundstück am Sonnenhang mit Reben zu bepflanzen.

Mitte Mai 1980 wurden die ersten Riesling×Sylvaner-Reben gepflanzt. Allerdings lief es anfangs gar nicht gut. Das Frühjahr 1981 mit seinen tiefen Temperaturen wirkte sich verheerend auf die Traubenernte aus. Gerade einmal 12 Trauben gelangten zur Reife. Seither gedeiht der Rebberg jedoch sehr gut. Bewirtschaftet wird er seit Beginn von der Kadervereinigung der Feuerwehr Uitikon, dem heutigen Feuerwehrverein. Der Ertrag wird hälftig zwischen Gemeinde und Kadervereinigung aufgeteilt. Ausgeschenkt wird der Gätterewy, der in Weiningen von Hans-Heinrich Haug gekeltert wird, an verschiedenen Anlässen wie der Bundesfeier oder am Neujahrsapéro. 

Oberengstringen: Ein Rebberg als Erinnerung

In Oberengstringen wurden in den 1950er-Jahren die letzten beiden Rebhänge aufgehoben. Die heutigen Reben wurden erst im Jahr 1973 angelegt. Grundlage war ein Gemeindeversammlungsbeschluss von 1969. Die Stimmberechtigten bewilligten damals einen Kredit für den Bau eines neuen Rebbergs. Ab 1976 begann die Gemeinde dann damit, den gewonnenen Wein – es handelte sich um Riesling×Sylvaner und Klevner – an die Bevölkerung zu verkaufen. Der Andrang an diesen Weinverkäufen war derart gross, sodass die Gemeinde im Werkhof eine Festwirtschaft einrichtete, wo sich die Leute beim Warten mit Würsten verköstigen konnten.

1982 bot die Männerriege erstmals gegenüber dem Werkhof, im «Räbhüsli», Raclette an. Damit war der Grundstein für das Weinfest gelegt. Bis 2003 bewirtschaftete die Gemeinde den Rebhang. Dann wurde er von Urs Zweifel von Zweifel Weine Höngg gepachtet. Im selben Jahr wurden rund 3500 Rebstöcke entfernt und knapp 3300 neue von den Spezialitätensorten Cabernet Cubin, Malbec, Johanniter und Scheurebe gepflanzt. Seither steht der Gemeinde ein Kontingent von rund 1000 Flaschen vom in Höngg gekelterten Wein zu. 

Dietikon: Zwei Rebberge ennet der Limmat

Die Stadt Dietikon besitzt gleich zwei Rebberge, an denen die Trauben für den Stadtwein, den einstigen Bürgerwein, wachsen. Beide befinden sich auf der rechten Limmatseite. Seit 1977 besitzt die Stadt einen 1648 Quadratmeter grossen Rebberg in Weiningen. Einst wurde dort Riesling×Sylvaner angepflanzt, heute Kerner. Gekauft hatte den Rebberg die Bürgergemeinde, die mit der neuen Kantonsverfassung vom 1. Januar 2006 aufgehoben wurde. Der Preis für den Rebberg betrug 32 960 Franken.

Das Ziel der Bürgergemeinde war es, Ersatz für die in Dietikon verschwundenen Reben zu finden und so die Tradition des Dietiker Weines wieder aufleben zu lassen. Die dort gewonnen Trauben werden in Weiningen von Peter Vogler gekeltert. Der zweite Rebberg befindet sich in Oetwil. Er ist 1350 Quadratmeter gross und wurde 1986 ebenfalls von der Bürgergemeinde zu einem Preis von 22 000 Franken erworben. Dort wachsen Pinot-Noir-Trauben, die von der Familie Wetzel in Würenlos gekeltert werden. Der Stadtwein wird für eigene Anlässe verwendet. Bei der Stadtkanzlei kann der Wein von der Bevölkerung auch bezogen werden. 

Birmensdorf/Urdorf: Roter und Weisser vom Waffenplatz

Weder Urdorf noch Birmensdorf verfügen über einen Gemeindewein. Und dennoch wächst dort eine Besonderheit heran – der «Waffenplatz-Wein» auf dem Waffenplatz Reppischtal. Dieser wurde 1987 eröffnet, nachdem an einer Volksabstimmung 1975 das Projekt mit 53,4 Prozent gutgeheissen wurde. Rund um den Bau der Anlage mussten nicht nur militärische Fragen, sondern auch solche des Natur- und Heimatschutzes sowie der Landwirtschaft geklärt werden.

So kam es, dass auf Urdorfer Boden, wo einst schon einmal Reben standen, ein neuer Rebberg angelegt wurde. Wie der Waffenplatz gehört auch er dem Kanton Zürich. Der Rebberg ist 33 Aren gross und mit rund 1600 Rebstöcken besetzt. Dreiviertel davon sind Riesling×Sylvaner-Reben, der Rest Klevner. Bewirtschaftet wird der Rebberg von Peter Grütter, dem ehemaligen Kommandanten der Kantonspolizei Zürich. Produziert werden die Weine in Höngg, bei Zweifel Weine. Der «Waffenplatz-Wein» wird vornehmlich an Anlässen wie der Wehrmännerentlassung ausgeschenkt. Er kann aber auch auf dem Waffenplatz erworben werden.