Aktuelles

«Trotz der hohen Qualität wird den Winzern nichts geschenkt»

Quelle /
Christian Dietz-Saluz
Was nach der Weinlese in den Kellern der Winzer am Zürichsee reift, wird heute schon als Jahrhundertwein bejubelt. Zumindest die Natur hat dazu ihren Beitrag geleistet. Das weiss Peter Märki, Leiter des Weinbauzentrums Wädenswil. Er zieht Bilanz über ein aussergewöhnliches Jahr in den Rebbergen.

 

Sind alle Trauben am Zürichsee schon gelesen?
Peter Märki: Sicher 90 Prozent sind gelesen, darunter alle weissen Traubensorten. Was jetzt noch draussen hängt, sind vor allem späte rote Sorten wie Zweigelt oder Merlot sowie Trauben für gewisse Spezialitäten wie Trockenbeerenauslese oder Eiswein.

Welche Bilanz lässt sich für diesen Jahrgang ziehen?
Grundsätzlich gibt es in der ganzen Schweiz bei allen Sorten überdurchschnittlich grosse Mengen. Nach zwei eher mageren Jahren tut das den Winzern gut. Jetzt können sie wieder die Keller füllen. Selten an diesem Jahr ist, dass es zur grossen Menge auch eine ausserordentliche Qualität gibt. Eine solche Konstellation gab es seit 2003 nicht mehr.

Wie gross ist die Menge an gelesenen Trauben?
Es gibt noch keine offiziellen Zahlen für die Deutschschweiz, ich schätze aber, dass der Ertrag rund 20 Prozent über einer Durchschnittsernte liegt. Gegenüber dem letzten, vom Frost beeinträchtigten Jahr gibt es sicher eine doppelt so grosse Menge.

Welche Qualität zeichnet sich nach dem Wümmet ab?
Die Beeren weisen sehr hohe Zuckerwerte auf. Das gibt gehaltvolle Weine. Und es sind auch sehr gesunde Trauben. Das bedeutet sowohl wenig Probleme beim Wümmet als auch bei der Gärung. Gesunde Trauben geben nämlich keine Fehlaromen ab wie das bei faulen Beeren zum Beispiel mit einer unerwünschten Essignote der Fall sein kann.

Weshalb hat man schon Ende August, Anfang September zu ernten begonnen und nicht noch länger mit der Weinlese gewartet, wo doch das Wetter weiterhin Wärme und Sonne und somit noch höhere Oechs­legrade garantiert hätte?
Zuckergehalt und Säure sind die Hauptwerte, um den Erntezeitpunkt zu bestimmen. Dieses Jahr hat eher der Säurewert den Wümmet bestimmt. Für die Frische des Weins ist der Säuregehalt wichtig. Der Geschmack des Weins ist immer ein Zusammenspiel von Aromen, Gerbstoffen und Säure. Diese drei Säulen müssen harmonieren. Zu hoher Zuckergehalt bedeutet zu viel Alkohol bei weniger Säure. Solcher Wein schmeckt langweilig.

Ist das Wetter die einzige Erklärung für die überdurchschnitt­liche Menge und ausserordentliche Qualität der Trauben?
Für die Menge ist das Wetter ausschlaggebend und die Vorschriften zur Beschränkung der Ernte. Im Kanton Zürich gelten für erste Qualitäten 1,4 Kilogramm weisse Trauben pro Quadratmeter als Limit, bei roten sind es 1,2 Kilogramm. Bei der Qualität kommt zur Sonne auch das Wissen des Winzers zum Tragen. Vor allem die Erfahrungen vom ebenso heissen Extremjahr 2003 zahlen sich heute aus.

Gibt es Rebsorten, die besonders stark von diesem heiss-trockenen Sommer profitieren?
Tendenziell haben es Rotweinsorten immer gern heiss. Daher haben die noch mehr profitiert als Weissweine, bei denen man mehr Frische und Säure braucht.

Gibt es auch «Verlierersorten»?
Von der Vegetationsdauer her muss man sich überlegen, welche Sorten eher zu diesem Klima passen. Sollten sich solch warme Sommer regelmässig wiederholen, wird vielleicht der Räuschling Probleme bekommen. Dann wäre zum Beispiel ein Sauvignon blanc dank seiner längeren Vegetationszeit dem heissen Klima besser angepasst.

 

«Grosse Mengen und eine ausserordentliche Qualität: Eine solche Konstellation gab es seit 2003 nicht mehr.» Peter Märki

 

Wie sieht es mit den Schädlingen in diesem Jahr aus?
Es gab diese Jahr viel weniger Schädlinge. Die Trockenheit hilft, Pilzkrankheiten zu unterdrücken, und diese sind das grösste Problem im Weinbau. Auch der Kirschessigfliege war es tendenziell zu heiss.

Man spricht jetzt schon von einem Jahrhundertwein: Wie müssen wir uns diesen Wein geschmacklich vorstellen?
Es wird ein gehaltvoller Weisswein sein mit etwas mehr Alkohol, aber dank früher Ernte trotzdem frisch. Die Winzer haben aus dem heissen Jahr 2003 so viel Erfahrung gesammelt, dass sie wissen, wie mit der neuen Herausforderung umzugehen ist: die Frische in den Weisswein zu bringen. 2018er-Rotweine werden einen südländischeren Charakter aufweisen als bisher. Wichtig ist, die grosse Menge auch gut zu verkaufen und den Trend zu bestätigen, dass die Deutschschweizer weiterhin vermehrt Deutschschweizer Weine trinken – zumal bei solch hoher Qualität.

Dann ist dieser Jahrgang wohl die beste Werbung für den Wein vom Zürichsee?
Ja, aber trotz der zu erwartenden hohen Qualität wird den Winzern nichts geschenkt. Die Kunden müssen überzeugt werden, ein etwas teureres Produkt kaufen zu wollen, als importierter Wein kostet. Wenn das gelingt, tragen die Konsumenten bei zur Erhaltung unserer Rebberge. Ohne anhaltenden Konsum von einheimischem Wein ist diese für viele Regionen in der Schweiz typische Landschaftsform bedroht.

 

Uber Peter Märki

Peter Märki (Stäfa) ist Leiter des Weinbauzentrums Wädenswil. Dieses betreibt für die Winzer in der Deutschschweiz standortgerechte Forschung und praxisrelevanten Wissenstransfer – vom Weinbau über Önologie und Marketing bis zum Verkauf.