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Paarung der Woche: Reifer Completer und reifer Comté

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Text: Britta Wiegelmann
Schweizer Wein Completer
Bündner Wein-Unikat trifft Rohmilchkäse aus dem Jura. Da macht der Gaumen Ferien auf dem Bauernhof!

Dieser Wein ist der Letzte seiner Art. Ein absolutes Unikat – in diesem Fall ist das keine Übertreibung. Er stammt aus der Completer-Traube, die heute auf weniger als drei Hektar wächst. Diese Minifläche liegt fast komplett in Graubünden, mit Ausnahme von ein paar Stöcken im Wallis und einer kleinen Parzelle am Zürisee. Als wären das nicht schon genug Exklusivitäten, ist Winzer Giani Boner auch noch der Einzige, der seinen Completer nach traditioneller Art im oxidativen Stil ausbaut. Das ergibt Weine, die – wollte man sie vergleichen, was sie eigentlich nicht brauchen – am ehesten an einen Vin Jaune aus dem Jura erinnern.

Was den Completer auszeichnet, ist seine gewaltige Säure. Giani Boner erzählt, sie liege in der Regel zwischen 18 und 23 Gramm pro Liter! Dazu kommt ein recht hoher Alkoholgehalt – zwei Dinge, die in einer Rebsorte sonst nur selten zusammenkommen. So kam es überhaupt erst zu diesem speziellen Weinstil: Früher liessen die Winzer ihren Completer jahrelang im Holzfass liegen, weil er jung schlicht untrinkbar war. Dabei kam er zwangsläufig mit Luft in Berührung, ergo der oxidative Touch. Heute kann man die Vinifizierung so steuern, dass der Wein bereits jung trinkreif ist. Doch Giani Boner hält an der altbewährten Façon fest. 30 Aren, also 0.3 Hektar, Completer-Reben besitzt er, alle wurzelecht. Sie sind 26 Jahre alt und wurden aus Ihren Vorgängern, über 100-jährigen Stöcken, nachgezogen. Der 2005er Malanser Competer Reserva, den mir für eine Verkostung von Weinen aus wurzelechten Reben in die Hände fiel, ist der aktuell erhältliche Jahrgang. Alles, was jünger ist, legt noch im Keller.

Zum Wein habe ich notiert: Bernsteinfarbene Robe. Reichhaltige Nase mit Noten von reifem Apfel, Honig, Quitte, Mandel, Petrol und frischem Heu. Cremiger Antrunk, dann lebendige Säure, ungeheurer Körper, tolle Struktur, leicht ölige Konsistenz. Stoffig und dicht am Gaumen, unaufdringliche Süsse. Fantastische Vibrationen! Ein gereifter Weisser im Rancio-Stil mit komplexen oxidativen Noten und gleichzeitig verblüffend jugendlicher Frische.

Aufgrund der Ähnlichkeit zum Vin Jaune kam ich auf die Idee, ihn zu meinem Liebling unter den Hartkäsen und klassischem Vin-Jaune-Partner zu probieren: gereiftem Comté. Eigentlich hatte ich auf ein 36-monatiges Exemplar gehofft, doch der Käsehändler meines Vertrauens (Globus Delicatessa an der Zürcher Bahnhofstrasse) hatte an diesem Tag nur 24-monatigen Comté da. Ein Glücksfall, wie sich herausstellen sollte. Der Käse war reif genug, um schon kleine Kristalleinschlüsse zu zeigen – ein toller Umami-Kontrast zur leichten Süsse des Completers. Gleichzeitig schmeckte man im Comté noch ganz viel Heu, Gras, Blüten und Kuh – perfekt zu den heuigen Noten des Weins. Das Resultat übertraf alle meine Erwartungen. Das war viel mehr als nur eine passende Paarung, das war eine ganze Geschmackswelt: Ferien auf dem Bauernhof für den Gaumen!