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New Generation in der Schweizer Winzerszene

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Martin Kilchmann
Betriebsübergaben von den Eltern an die Kinder bergen Zündstoff. Die neue Generation will alles anders machen, den Ertrag drosseln, neue Sorten anbauen, die Kelterung umstellen. Die Eltern sehen ihr Lebenswerk infrage gestellt, fühlen sich unverstanden, ziehen sich in den Schmollwinkel zurück. Zerwürfnisse von geradezu biblischer Wucht haben so schon viele Winzerfamilien unglücklich gemacht.

 

Weingut Steiner

Doch der Übergang kann auch harmonisch erfolgen. Ein exemplarisches Beispiel dafür ist die Familie Steiner in Schernelz am Bielersee. Vater Charlie und Mutter Annemarie hatten den 6,5 Hektaren grossen Betrieb in traumhafter Lage in 35 Jahren aus dem Nichts zu einer der namhaften Domänen der Deutschschweiz aufgebaut. Vor drei Jahren übergaben die beiden an Tochter Sabine. Diese hatte 2010 in Krems/Österreich als erste Schweizer Studentin ein Weinmanagement-Studium abgeschlossen und das Winzerhandwerk erlernt – zu Hause und in Neuseeland.

Die Steiners feierten den Besitzerwechsel mit einer denkwürdigen Degustation gereifter Weine. Sie förderten über sechzig verschiedene Weine bis zurück in die frühen 1970er-Jahre aus ihrem privaten Keller zutage. Die meisten Tropfen hatten sich gut gehalten. Den Eltern bot die Aufräumaktion Gelegenheit, wehmütig Rückschau zu halten; der Tochter war sie Anlass, auszuloten, woran sie in Zukunft gemessen wird.

Inzwischen ist genug Zeit vergangen, um abzuschätzen, wohin Sabine Steiner gehen will. Längst hat sie Abstand genommen vom Plan, «den Chasselas auszurupfen», was sie zu Charlies Bekümmerung nach ihrer Heimkehr vorwitzig verkündete. Sie hat sich versöhnt mit der weissen Leitsorte am Bielersee und erzeugt vier unterschiedliche Chasselas, darunter einen ohne biologischen Säureabbau.

Sabine lässt sich heute vom Motto leiten: «Etwas Neues wagen, aber die Erfahrungen der Eltern nicht in den Wind schlagen.» Sie baut die Linie der Lagenweine aus. Es gibt neben dem schon vom Vater erzeugten fadengraden, salzigen Chasselas Clos à l’Abbé zwei Crus aus Pinot Noir: den kühl-eleganten Tribolettes und den komplexeren Buurehöf, dessen Rebberg schon Charlie immer besonders geliebt hatte. Darüber hinaus stellt sie, der die Weissen wohl näher sind als die Roten, zum stahltankgereiften Sauvignon Blanc den im Barrique ausgebauten Wein aus der Summerrode und zum Basis-Chardonnay den sehr vielversprechenden Clos au Comte (ehemals Réserve). Der Chardonnay ist ihr ohnehin immer lieber geworden. «Nach Neuseeland favorisierte ich den Sauvignon Blanc, inzwischen fasziniert mich die Eleganz, Klarheit und Mineralität des Chardonnay.»

Sabine Steiner lebt in Partnerschaft mit Andreas Krebs. Die beiden haben eine kleine Tochter. Andi Krebs hat jüngst das elterliche Weingut in Twann übernommen. Die zwei teilen sich Angestellte oder Maschinen, wollen aber die zwei Betriebe getrennt führen. Es wird interessant zu verfolgen, ob und wie sich dieser Generationenwechsel hoch zwei auf das Profil der Steiner’schen und Krebs’schen Weine auswirken wird.

 

Weingut Schwarzenbach

Ist mit Sabine Steiner am Bielersee heute die zweite Generation zugange, so ist es bei den Schwarzenbachs in Meilen am Zürichsee bereits die fünfte. Alain Schwarzenbach hat den traditionsreichen, neun Hektaren grossen Betrieb nach sorgfältiger Vorbereitung auf den 1. Januar 2016 übernommen – zusammen mit seiner Partnerin Marilen Muff, einer Winzerin und Marketingspezialistin. Marilen und Alain zogen in die stattliche Reblaube ein. Letztes Jahr gesellte sich ein Töchterchen dazu. Die Eltern Cécile und Hermann «Stikel» Schwarzenbach wechselten ins «Stöckli», wobei man sich die neue Behausung nicht in gotthelfscher Manier als kleinere Ausgabe des Haupthauses, sondern als moderne, geräumige Wohnung oberhalb des neu erbauten Kellers vorstellen muss. 

Dreht sich bei den Steiners vieles um Novitäten, lauten die Stichworte bei Schwarzenbachs «Kontinuität» und «Konstanz». Denn das Weingut an der Seestrasse in Meilen kann auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken und kennt keine Absatzsorgen. Alain ist deshalb zu verstehen, wenn er sagt: «Wir streben einen sanften Übergang an. Die Kunden sollen nicht merken, dass ein Besitzerwechsel stattgefunden hat.» 

Das Weingut Schwarzenbach zählt zu den führenden Betrieben im Kanton Zürich, am Zürichsee gilt es gar als Nummer eins. Alains Grossvater Hermann hat die im Verschwinden begriffene Rebsorte Räuschling wiederbelebt und letztlich gerettet. Alains Vater Stikel hielt an der Renaissance fest und machte sich an die Verbesserung der Rotweine. Nach Alains Betriebseintritt kehrte er wiederum zu den Weissen zurück und überliess dem Junior die Verfeinerung des Pinot Noir. Heute hat Stikel Schwarzenbach sein Pensum auf fünfzig Prozent reduziert, während seine Frau Cécile sich noch um die Buchhaltung und teilweise auch um den Verkauf kümmert.

Alain Schwarzenbach scheint noch wenig Spuren hinterlassen zu haben. Das hat wohl damit zu tun, dass er das Steuer eines Weinschiffs übernehmen konnte, das sich voll auf Kurs befindet und bei dem sich keine Korrekturen aufdrängten. Schaut man aber etwas genauer hin, stösst man auch auf eigene Akzente: Der gelungene Chardonnay wird neuerdings in Piècen aus Schweizer Traubeneiche ausgebaut. Mit dem Pinot Noir Sélection füllt Alain den Wein aus den besten Barriques ab, und in der Steillage Trüllisberg in Feldbach am unteren Zürichsee gedeiht ein Merlot, wie man ihn noch vor fünfzehn Jahren am Zürichsee für unmöglich gehalten hätte. Der jetzt im Verkauf befindliche 2014er wurde am 8. Oktober akkurat zum richtigen Zeitpunkt geerntet. «Einen Tag später und die Kirschessigfliege hätte ihn vernichtet.»

 

Weingut Komminoth

Ganz anders präsentiert sich die Lage für Ralf Komminoth in Maienfeld. Er stammt zwar ebenfalls aus einer Winzerfamilie, hat aber nach der Winzerlehre bald gemerkt, dass der Betrieb zu klein und sein Vater noch zu jung war, als dass es zwei gleichberechtigte Partner vertragen hätte. Zudem war das Weingut Hans-Peter Komminoth unter den 22 Selbstkelterern des Städtchens Maienfeld nie als besonders ehrgeizig oder innovativ aufgefallen. Ralfs Grossvater Hans-Peter -hatte zwar jahrzehntelang als geachteter Reb- und Kellermeister auf Schloss Salenegg gearbeitet und dort als Erster in Graubünden auch die Drahtrahmenerziehung eingeführt, seinen eigenen Besitz liess er als Mischbetrieb aber an der langen Leine, und Ralfs Vater sah wenig Grund, daran etwas zu ändern.

So engagierte sich Ralf Komminoth zehn Jahre im Militär, war mit der Swisscoy im Kosovo und arbeitete die letzten drei Jahre als Zugführer bei der mobilen Militärpolizei in Bern. Statt Reben hatte er dort ausländische Staatsgäste zu bewachen. Danach bereiste er mit seiner Partnerin Seraina acht Monate Asien. «Abenteuerlich und herausfordernd war die Reise durch China zu zweit und unbegleitet.» Langsam reifte dabei der Entschluss, heimzukehren und das allzu selbstgenügsam betriebene, 3,5 Hektaren grosse väterliche Weingut auf Vordermann zu bringen. 2015 taufte er es in «Ralf Komminoth» um.

Seither arbeitet er an vielen Fronten: Die Rebberge müssen in Schuss gebracht werden, sein Vater hilft ihm dabei. Besonders aufwendig und arbeitsintensiv ist die steile Parzelle Freudenberg in Bad Ragaz. Die Weine (Riesling-Silvaner, Sauvignon Blanc, Pinot Noir), die keinen besonderen Ruf besitzen, rufen nach Verbesserung, die Verkaufsanstrengungen nach Vergrösserung. Eine vermeintliche Sisyphos-Aufgabe, für deren logistische und planerische Bewältigung ihn seine berufliche Vergangenheit geschult haben sollte. Zudem hilft ihm die Mitgliedschaft im Verein «Junge Schweiz – Neue Winzer». «Der regelmässige Austausch mit den jungen Berufskollegen ist befruchtend und inspirierend», sagt er. Ralf Komminoth ist nach Hause gekommen, weil er das Heft in die Hand nehmen wollte. Nun, nach der Zeit der Findungsphase, muss er bloss noch die richtigen Sätze hineinschreiben.