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Neuchâtel: eine Goldgrube für Pinot-Fans.

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Einer der ersten Schweizer Weinblogs, gegründet 2006 von Adrian van Velsen. Hier fassen wir unsere Eindrücke zu feinen Weinen und gutem Essen zusammen. Ob Bordeaux, grosse Burgunder, elegante Nebbiolo-Weine, dichte Syrah von der Rhone, Pinot-Noir aus der Schweiz, Perlen vom Etna, knackige Riesling aus Deutschland oder mineralische Sancerre und Chablis - wir lieben Klassiker und sind offen für Neuentdeckungen.

Eines vorweg: selten hat uns eine Verkostung in der Breite so viel Spass bereitet, wie diese Pinot Noir Degustation mit den Gewächsen aus Neuchâtel. Auf den kalkhaltigen Böden um Neuchâtel, insbesondere in den Weindörfern Auvernier, Cressier, Saint-Blaise und Hauterive, gedeihen die Pinot Noir Reben hervorragend. Hier entstehen charaktervolle Tropfen, welche zum Besten gehören, was die Schweiz in Sachen Pinot Noir zu bieten hat.

Das Terroir rund um Neuchâtel ist komplex: es gibt 61 unterschiedliche Bodenprofile wobei der Kalk das gemeinsame Element darstellt. Weisser Kalk in Auvernier, gelber Kalk in Hauterive, dazu Mergel als guter Wasserspeicher, was die Wuchskraft fördert, sowie ein kleiner Anteil Moränenböden. Die Böden im Westen (bei Auvernier und Colombier) sind etwas tiefgründiger und fetter, was die Weine aus diesen Lagen etwas kräftiger erscheinen lässt. Im Osten dagegen gibt es Lagen, so zum Beispiel bei Hauterive, wo eine nur noch sehr dünne, sandige, kalkhaltige Erdschicht den darunterliegenden, gelben und brüchigen Kalkfels zudeckt. Die Wurzeln der Reben müssen sich dort die Nährstoffe regelrecht aus dem Felsen heraus erkämpfen, was den Weinen einen entsprechend steinigen Charakter verleiht.

Dass die Pinot Noir Weine aus Neuchâtel vielen Weingeniessern aus der Deutschschweiz nicht gleich geläufig sind, wie diejenigen aus der Bündner Herrschaft, mag daran liegen, dass die Weine aus Neuchâtel hier weniger stark distribuiert sind. Bezüglich der Rebfläche ist Neuchâtel mit rund 600 Hektar fast doppelt so gross wie die Bündner Herrschaft, wobei es die gesamthaft 312 Hektar Pinot Noir in Neuchâtel quantitativ nicht ganz mit den 330 Hektar Pinot Noir der Bündner aufnehmen können. Qualitativ aber müssen sich die Neuenburger mit Bestimmtheit nicht verstecken, denn was wir an diesem Samstagmittag verkosten durften, hat uns schlicht begeistert.

Die Degustation

Das vvWine Team fragte vor einigen Wochen gut 20 Winzer an, jeweils einen Pinot Noir mit jüngerem Jahrgang einzureichen. Die Rückmeldungen waren zahlreich und so kamen insgesamt 15 Weine zusammen, welche vom vvWine Team verkostet, beschrieben und bewertet wurden. Die Weine wurden undekantiert mit 15 Grad im Zalto Bordeaux-Glas serviert und blind degustiert. Nachfolgend unsere Eindrücke welche wie immer Momentaufnahmen sind.

2015, Cuvée Saint-Louis, Grisoni, Cressier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, aufgehellter Rand. Anfangs verhaltene Nase, dann mit etwas Luft sehr fruchtbetont, Himbeeren, Erdbeeren, Kirschen, reife Pflaumen, darüber Zitronenmelisse und Gräser, das Holz sehr gut eingebunden, angenehm kühl wirkend, sehr gute Komplexität. Am Gaumen weich, wieder Aromen von roten Kirschen, Himbeeren, Walderdbeeren und Gletscherzältli, feine Gerbstoffe, gut integrierte Säure, moderater Alkohol, angenehm frisch, im Abgang mit sehr gute Länge, endet auf Sauerkirschen und dunkle Pflaume. Ein fruchtbetonter und doch sehr gut strukturierter, hocheleganter, ausgewogener Pinot, vorbildlich bezüglich dem moderaten Holzeinsatz. Macht jung bereits Spass kann aber auch ein paar Jahre reifen. Stilistisch ein Hit! 2017-2027, 18.5+ vvPunkte, (92+/100)

2015, Auvernier Pinot Noir, Cave et Distillerie de la Ruelle, Auvernier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, Purpurreflexe. Rauchig-würzige Nase, intensiver, leicht dropsiger Duft nach Brombeeren, Kirschen, dazu Anflüge von Erdbeeren und feuchtem Stein, frisch geschnittenes Gras, angenehm tief, verspielt und mit sehr guter Komplexität. Am Gaumen gradlinig, sehr klar, ungemein saftige Frucht, deutlich rote Johannisbeeren, Cranberries, rote Kirschen, fein gewobenes Tannin, stimmige Säure, mittlerer Körper, im Abgang nicht sehr dicht aber langanhaltend. Ein ausgewogener, eleganter und feinwürziger Pinot mit Reserven. 2017-2026, 18 vvPunkte, (90/100)

2015, Pinot Noir, Cave des Laurières, Jungo & Fellmann, Cressier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, Purpurreflexe. Sehr rauchige, kühl anmutende Nase, nobel, viele dunkle Kirschen, Brombeeren, feuchtes Holz, darüber dezente Malzaromen und florale Töne, das Holz wahrnehmbar aber sehr gut integriert, sehr gute Komplexität. Am Gaumen weich im Auftakt, dann rasch knackige Frucht, Himbeeren, Sauerkirschen, Granatapfel, präsente Gerbstoffe, fein gewoben, die Säure knackig, keine Alkoholdominanz, strukturiert, mit feinem Schmelz aber ohne jegliche Schwere, endet langanhaltend und sehr stimmig auf Brombeeren, Granatapfel und etwas feuchtes Moos. Ein spannungsvoller, frischer Pinot der jetzt schon Spass macht und gut reifen dürfte. 2017-2026, 18 vvPunkte, (91/100)

2015, Pinot Noir, Sandoz, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, aufgehellter Rand. Etwas holzbetonte Nase, mit etwas Luft nehmen aber die Früchte das Zepter in die Hand, intensiv duftend, anfangs dunkle Kirschen dann mehr und mehr Himbeeren, rote Johannisbeeren, dazu eine angenehm krautige Würze, schöne Tiefe, einiges an Spannung und sehr gute Komplexität. Gradliniger Gaumen, frische, rote Frucht, Sauerkirschen, Blutorangen, hochelegant, sehr gut strukturiert mit markanten Gerbstoffen, saftiger Säure und mittlerem Körper, ungemein frisch und trinkanimierend, im Abgang von sehr guter Länge, endet feinwürzig auf reife Blutorangen. Ein sehr verspielter, spannungsvoller Wein für Geniesser, die Pinots mit Charakter mögen. 2017-2026, 18 vvPunkte, (90/100)

2014, Hauterive, La Maison Carrée, Auvernier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, aufgehellter Rand. Sehr expressive Nase, ungemein würzig, das muss Hauterive sein, eine Nasendroge, hinter der enormen Würze rote Johannisbeeren, Cassis, Erdbeeren dazu feuchtes Holz und Stein, im Hintergrund sogar Tabak und Veilchenaromen, herrlich komplex und mit viel Spannung. Straffer Gaumen, rotfruchtig, frisch und konzentriert, deutlich Johannisbeeren, etwas Cassis, getragen von einer sehr guten Struktur, mittlerer Körper, markante, reife Gerbstoffe, sehr saftige Säure, am mittleren Gaumen auch Sauerkirschen und Schwarzbrot, sehr gute Komplexität. Im Abgang mit viel Druck und Länge aber ohne jegliche Schwere, endet würzig. Dieser Wein beweist einmal mehr seine grosse Klasse. Ein Hit. 2017-2030, 18.5 vvPunkte, (93/100)

2014, Noir des Roches Premier, Grillette Domaine de Cressier, Cressier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Modern anmutende, angenehm tiefe Nase. Dunkle Kirschen, Rauch mit deutlichen Röstaromen, etwas Karamell, dahinter auch Backpflaumen, sehr gute Komplexität. Am Gaumen weicher Auftakt, wieder etwas Holz, dahinter saftige Frucht, dunkle Kirschen, Heidelbeeren, Zwetschgen und auch wieder etwas Karamell, mittlerer Körper, strukturiert mit samtigen Gerbstoffen, einer gut dosierten Säure und moderatem Alkohol, saftig und trinkanimierend, im Abgang von mittlerer Länge. Ein modern vinifizierter Pinot mit sehr gutem Preis-/Leistungsverhältnis. 2017-2025, 18 vvPunkte, (90/100)

2014, Auvernier, La Maison Carrée, Auvernier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, aufgehellter Rand. Verhaltene Nase, braucht Zeit sich zu öffnen, dann zeigen sich Aromen von gekochten Erdbeeren, dazu dezent laktische Noten. Thymian-Kräuter, dann rote Johannisbeeren, Kirschen, mehr und mehr Tiefe zeigend, sehr gute Komplexität. Deutlich die Handschrift des Hauses tragend, blind als Auvernier von La Maison Carrée erkannt. Weicher Auftakt, angenehm vollmundig, deutliche Fruchtaromatik von roten Johannisbeeren, Walderdbeeeren, Brombeeren und roten Kirschen. Mittlerer Körper, feine Gerbstoffe, markante Säure bei sehr moderatem Alkohol. Im Abgang mit sehr guter Länge, endet frisch, aber nicht ganz so druckvoll wie der Hauterive. Die etwas zugänglichere wenn vielleicht auch nicht ganz so expressive Pinot-Version von La Maison Carrée. 2017-2025, 18 vvPunkte, (90/100)

2010, Domaine de La Rochette, Vielles Vignes, Cressier, Neuchâtel (Pinot Noir): Reifes Rubin, aufgehellter Rand. Sehr holzbetonte Nase, deutlich Röstnoten, Rauch, Speck, sehr tief und konzentriert, hinter dem Holz dunkle Früchte, Dörrpflaumen, Walderdbeeren, Cassis, schwarze Kirschen, Lakrizze, Weihnachtsgewürze. Weicher Auftakt, einiges an Schmelz, süssliche Frucht, reif wirkend, auch hier sehr konzentriert aber mit deutlich weniger markantem Holz. Reife Erdbeeren, Heidelbeeren auch merklich Schokolade und Weihnachtsgewürze, relativ füllig mit mittelkräftigen, sehr reifen Gerbstoffen. Moderate Säure, viel Spannung, mineralische Noten, im Abgang mit sehr guter Länge. Ein herausfordernder Wein der etwas Zeit braucht, um ihn zu verstehen. Eigenständig und mit Klasse. Hat trotz älterem Jahrgang noch gute Reserven. 2017-2025, 18 vvPunkte, (91/100)

2014, Pur Sang, Caves de Chambleau, Colombier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Offene, fruchtbetonte Nase, dazu auch dezente Barriquearomen, deutliche Aromen von reifen Erdbeeren auf Stroh, intensiv, duftig, Honigblumen, Klee, Latwerge, auch getrocknete Blumen, etwas Kaffee, Schokolade, dahinter auch Anflüge von Malz. Das Holz ist wahrnehmbar, doch nicht zu dominant, das Barrique gut verwoben, ausgesprochen komplexes Nasenbild. Sehr weicher Auftakt, viel Fleisch am Knochen, füllig, rund und mit satter Frucht, ein Crescendo an Aromen baut sich auf und breitet sich aus. Erdbeeren, Brombeeren und Kirschen, ein konzentrierter Mix aus dunkler und roter Frucht, dann wieder Latwerge, der Wein hat eine sehr gute Struktur, feinste Gerbstoffe, die Säure ist stimmig und hält den Wein trotz merklich Alkohol angenehm frisch, Enorm langer Abgang, endet mit einer spannungsvollen Mineralik. Ein perfekt vinifizierter Wein mit viel Kraft und Niveau, grosse Klasse! 2017-2030, 19 vvPunkte, (94/100)

2014, Ch. d'Auvernier, Les Grand'Vignes, Auvernier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Anfangs etwas holzbetonte Nase, doch mit Luft nehmen würzig, krautige Aromen überhand, sehr spannend, verspielt, angenehm tief, Tannenzweige, nasser Stein, Rauch, reife Himbeeren, Walderdbeeren, auch dezente Zitrusaromen, sehr gute Komplexität. Weicher, vollmundiger Auftakt, dann rasch straff werdend, mit deutlichen Gerbstoffen und etwas Blutorangen, ungemein saftig, knackig und frisch, es gesellen sich Aromen von roten Kirschen und Johannisbeeren dazu. Ein sehr präziser, strukturierter Wein mit langem Abgang. Endet frisch, rotfruchtig und feinwürzig. Stilistisch ein absoluter Hit, burgundische Eleganz und Finesse bei erstaunlicher Kraft, Bravo! 2017-2028, 19 vvPunkte, (94/100)

2014, Dom. De Montmollin, Haute Couture, Auvernier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, sehr schöner Glanz. Zu Beginn holzbetonte Nase, öffnet sich zunehmend mit Luft, dunkle, eingelegte Kirschen, Pflaumen, viele Gewürze, Lebkuchen, auch etwas medizinale Aromen und Blütenhonig, spannend, verspielt mit feuchtem Stein und einer sehr schönen Tiefe. Mit etwas Zeit im Glas dann auch viele florale Aromen zeigend, sehr komplex. Straffer Gaumen, strukturiert, gradlinig, dicht, die dunklen Beeren werden mit roten ergänzt, dazu Milchschokolade, die Gerbstoffe sind markant, fein gewoben, die Säure ist präsent aber nicht überbordend, angenehm langer Abgang, endet stimmig auf Lebkuchenaromen. Ein moderner, sehr ansprechender Pinot mit schöner Eleganz. 2017-2026, 18 vvPunkte, (91/100)

2014, Pinot Noir Barrique „Les Cloux“, Cave des Laurières, Jungo & Fellmann, Cressier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Modern anmutende Nase, wahrnehmbares Barrique, Kräuter, getrockneter Oregano, rote Kirschen, Johannisbeeren, dann auch Backpflaumen und etwas Rauchiges, dezente Aromen von Rosinen, sehr gute Komplexität. Gradlinig im Gaumen, knackige Frucht, rote Johannisbeeren, Blutorangen, Granatapfel, sogar etwas Apfel. Sehr saftig, mittlerer Körper, gute Struktur, feine Gerbstoffe, schöne Säure, langer Abgang, endet rotfruchtig und leicht wärmend. Ein zugänglicher, freundlicher Tischgenosse mit Charme und Niveau. 2017-2027, 18 vvPunkte, (90/100)

2014, Pinot Noir Réserve Graf Zeppelin, Grillette Domaine de Cressier, Cressier, Neuchâtel (Pinot Noir): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Tiefe Nase, rauchig, Heu, dahinter Cassis, Brombeeren, florale Aromen, Rosen, sehr gute Komplexität. Weicher Gaumen, sehr schöne Frucht, rote Johannisbeeren, Sauerkirschen, etwas Haselnuss, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, geschliffene Gerbstoffe, sehr saftige Säure, nicht ganz so druckvoll im Abgang, dafür hochelegant. Endet rotfruchtig auf eine feine Kräuterwürze. Ein frischer und trinkanimierender Pinot für Menschen die auch nach dem zweiten Glas Rotwein noch wach sein möchten. 2017-2028, 18.5 vvPunkte, (93/100)

 

Fazit: die Pinot Noir Weine aus Neuchâtel präsentierten sich als äusserst komplexe und teils sehr finessenreiche Gewächse. Von wenigen Ausnahmen abgesehen. sind die Weine insbesondere was den Holzeinsatz angeht, vorbildlich und sehr harmonisch. Das grossartige, kalkhaltige Terroir mit den milden klimatischen Bedingungen, erweist sich als ideale Grundlage für Spitzenweine mit Charakter. Wir können jedem Weinliebhaber nur ans Herz legen, sich den einen oder anderen Pinot aus Neuchâtel zu gönnen, es lohnt sich!

Mehr Informationen über Neuchâtel generell resp. zur Pinot-Noir Region Neuchâtel findet man hier. Und zum Schluss wieder einmal ein Hinweis in eigener Sache: da vvWine nicht kommerziell orientiert arbeitet und auch nicht von Werbeeinnahmen profitiert, freuen wir uns über freiwillige Spenden.