Grosser Frust nach Frost bei den Weinbauern – eine Familie hatte viel Glück
- Donnerstag 27 April 2017
Die Frostnächte haben für die Weinbauern teilweise verheerende Folgen. Eine Weinfamilie hatte jedoch viel Glück.
Tom Rodel seufzt. «Es sieht schlecht aus, wir haben grausame Frostschäden», sagt der Präsident des Engsteler Weinbauvereins. Die erste Bilanz nach den beiden eiskalten Nächten der vergangenen Woche sei frustrierend: Über den Daumen gepeilt sind mindestens die Hälfte der 1000 Stöcke, die im Gebiet Engstel in Oberentfelden stehen, betroffen. Und das, obwohl man extra sogenannte Frostreserven habe stehen lassen; ein bis zwei separate Triebe, die nicht nach unten gebunden werden, sondern in die Höhe recken.
«Das haben wir dieses Jahr zum ersten Mal gemacht, als Vorsichtsmassnahme nach den schlimmen Schäden im letzten Frühjahr», sagt Rodel. Doch genützt hat es wenig, auch diese Triebe habe es zum Teil erwischt. Frostkerzen, die vergangene Woche viele Weinberge etwas wärmten und in ein mystisches Licht tauchten, habe sich der Verein mit Hobbywinzern nicht leisten können. «Der Frust ist gross», sagt Rodel.
Wie es den Hang in Gränichen erwischt hat, den der Verein ebenfalls bewirtschaftet, weiss Tom Rodel noch nicht. «Da hatten wir bereits letztes Jahr einen Totalausfall. Wie es jetzt ausschaut, will ich mir gar nicht ausmalen.»
Grössere Schäden in Seengen
Gegen die Frostnächte gekämpft hat auch der Seenger Weinbauer Thomas Lindenmann. Auf einem Teil seiner 9,5 Hektar grossen Rebenfläche brannten nachts Frostkerzen und Finnenkerzen vom Forstamt. Zudem fuhr ein Traktor mit einem Gebläse durch die Weinberge und wälzte die Luft um. Ein verzweifelter Kampf gegen Temperaturen von minus 5 Grad, die den Reben stark zusetzten.
Die Weinbau-Familie Lindenmann kann die Schäden in ihren Reben erst in ein paar Wochen genau beziffern. «Eine Schätzung ist derzeit schwierig», sagt Christina Lindenmann. Trotz der verheerenden Frostnächte könnten sich Triebe noch entwickeln. Die Seenger Weinbauern befürchten jedoch Ausfälle in der Grössenordnung von 30 bis 60 Prozent, je nach Lage der Reben.
Grosskampftag in Lenzburg
Ähnlich ist die Situation am Lenzburger Schlossberg: Die Ortsbürger rechnen mit 30 bis 40 Prozent Ertragsausfall. Konkretere Zahlen sind laut
Werner Volkmar noch nicht möglich. Volkmar ist Obmann der «Räblüs», der freiwilligen Helfergruppe am 40 Aren grossen Rebberg. Er erklärt, warum die Frostnächte derart verheerend waren: «Durch die milden Temperaturen im Februar und März ist die Vegetation eine bis zwei Wochen zu weit fortgeschritten, als zu dieser Jahreszeit üblich. Das macht die Reben verletzlich gegenüber Frost.»
Die Lenzburger Ortsbürger hatten nach unliebsamen Erfahrungen mit Frostnächten in den vergangenen Jahren zur Prävention nun ebenfalls eine Frostreserve geschaffen und bei den Rebstöcken einen zusätzlichen Trieb unbeschnitten stehen gelassen. Dadurch verzögerte sich dessen Austrieb. Doch auch bei den Lenzburger Reben war dieser Massnahme nur teilweiser Erfolg beschieden.
Die gesunden Triebe werden nun benötigt. Die Knospen der Frostruten müssen jetzt die verfrorenen Triebe kompensieren. Auf die «Räblüs» warte jetzt «eine diffizile Aufgabe», sagt Werner Volkmar, «praktisch bei jeder Rebe muss individuell entschieden werden, wie geschnitten werden muss.» Der «Räblüs»-Obmann hat deshalb für den kommenden Samstag das ganze Heer der freiwilligen Helfer in den ortsbürgerlichen Rebberg am Lenzburger Schlossberg bestellt.
Wenig Ausfälle bei Wehrlis
Gute Nachrichten gibt es dagegen aus Küttigen. Die Weinbau-Familie Wehrli, die vor allem in Küttigen, Erlinsbach Auenstein Reben pflegt, ist mit einem blauen Auge davon gekommen. «Der Schaden bewegt sich um etwa 10 Prozent», sagt Peter Wehrli. Dank Frostreserven dürfte der Frost wenig Einfluss auf den Ertrag haben. «Wir hatten grosses Glück, haben aber auch Massnahmen gegen den Frost ergriffen.» Unter anderem habe man das Gras unter den Reben gemäht, damit die Kälte am Boden bleibt. Zudem seien die steilen Hänge weniger auffällig auf Frost: Kalte Luft zieht ab Richtung Tal. «Damit haben wir sicher ein bis zwei Grad gewonnen, was vielleicht entscheidend war.»