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Frostschäden: Schweizer Winzer erleiden Verluste von bis zu 300 Millionen Franken

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Peter Keller
Nur 250 der insgesamt 5000 Weingüter haben sich gegen Ertragseinbussen wegen Frost versichern lassen. Jetzt rufen die Winzer nach staatlicher Unterstützung.

1912 vernichtete ein verheerender Frost einen Grossteil der Reben am Zürichsee. Mehr als 100 Jahre später, 2017, wiederholte sich die Geschichte. Rund 80% der Fläche hat es im April mehr oder weniger stark erwischt. Wegen der geringen Wahrscheinlichkeit habe niemand eine Frostversicherung abgeschlossen, sagt Marilen Muff vom Weinbetrieb Hermann Schwarzenbach in Meilen.

Nur ein verschwindend kleiner Teil der geschätzten rund 5000 professionellen Weingüter versichert sich gegen Frostschäden: Bloss 250 Betriebe schützen sich dieses Jahr gegen Ertragseinbussen wegen Minustemperaturen, wie die Versicherung Schweizer Hagel angibt. Denn der Schutz ist teuer: Um einen Hektarertrag von 30 000 Fr. zu versichern, sind je nach Region und Höhe des Frostrisikos 350 Fr. bis 750 Fr. Prämien je Hektare zu bezahlen.

Am teuersten ist es im Schaffhauser Klettgau, wo es dieses Jahr Ausfälle bis zu 90% gab. «Bis jetzt erhielten wir 110 Schadensmeldungen und rechnen mit einer Schadenssumme von bis 3 Mio. Fr.», erklärt Emilia Baldi, Mediensprecherin der Schweizer Hagel.

Nur geringe Subventionen

Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein, wenn man den gesamten möglichen Verlust für die Schweizer Weinbranche abschätzt. Noch lassen sich keine genauen Angaben machen, weil die Reben ein zweites Mal austreiben und der effektive Ertrag erst im Herbst bestimmt wird. Neben der Deutschschweiz war das Wallis besonders hart vom Frühjahresfrost betroffen. In dem mit 5000 Hektaren grössten Anbaugebiet der Schweiz sind 2000 Hektaren beschädigt. Je nach Lage betragen die Ausfälle zwischen wenigen bis 100%.

Die finanziellen Verluste für die Weinregion dürften sich im dreistelligen Bereich bewegen, schätzt Winzer Olivier Mounir, Besitzer des Cave du Rhodan in Salgesch (VS). Durchschnittlich werden im Wallis 45 Mio. Liter Wein pro Jahr produziert. Rechnet man konservativ mit einer Einbusse von 20% oder 10 Mio. Litern und einem durchschnittlichen Flaschen-Verkaufspreis von 15 Fr., so kommt ein Fehlbetrag von 150 Mio. Fr. zusammen.

Werden die anderen Anbaugebiete dazugenommen, so wird das Total sicher 200 bis 300 Mio. Fr. betragen. Im Kanton Baselland allein beziffern sich die Schäden an den Trauben- und Obstkulturen auf 19 Mio. Fr. .

Subventionen für Winzer gibt es zwar nicht. Sie können aber Direktzahlungen anfordern, die indes an einen ökologischen Leistungsnachweis, an Hangbeiträge für Rebflächen oder an Beiträge für Biodiversität gebunden sind.

Der Bund soll helfen

Angesichts der sich abzeichnenden Verluste ist in der Branche Hektik ausgebrochen, wie den Winzern mit anderen Mitteln unter die Arme gegriffen werden kann. «Wir sind in regem Kontakt mit der Bundesverwaltung, um entsprechende Massnahmen zu finden», sagt Chantal Aeby Pürro, Geschäftsführerin des Schweizerischen Weinbauernverbandes.

Die Organisation verlangt die Vergabe von zinslosen Darlehen, einen Tilgungsaufschub von Investitionskrediten, eine Vergütung für Neuanlagen sowie eine Unterstützung durch den Bund für die Zahlung der Frostversicherung.

Im Parlament sind bereits diverse Vorstösse eingereicht worden. So will CVP-Nationalrätin Géraldine Marchand-Balet aus dem Wallis wissen, welche Unterstützungsmassnahmen in der Landwirtschaftspolitik zur Verfügung stehen würden. FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois aus Freiburg verlangt Massnahmen, die der Bund und die betroffenen Kantone ergreifen können.

Auch auf Kantonsebene ist man aktiv: Im Kanton Wallis fordern Politiker Steuererleichterungen für Weinbauern. In der Bündner Herrschaft bemüht sich der Branchenverband darum, dass die Winzer Hilfe erhalten. In einzelnen Lagen gebe es Ausfälle bis zu 80%, erklärt der Malanser Winzer Georg Fromm, Präsident von Graubünden Wein. Besonders dramatisch ist die Lage für Traubenproduzenten, die ihre Ernte an eine Kellerei verkaufen.

Hoffen können die Winzer allenfalls auf den Fonds für Hilfe bei nicht versicherbaren Elementarschäden (Fonds Suisse). «Angesichts der ausserordentlichen Situation prüfen wir Möglichkeiten, stark betroffene Weingüter zu unterstützen», sagt Geschäftsleiter Daniel Arni. Normalerweise seien Frostschäden laut den Richtlinien von Fonds Suisse nicht beitragsberechtigt.