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Feine Weine von der Goldküste

  • Donnerstag 01 Oktober 2015
Quelle /
H. Elias Fröhlich in Golf & Country
«Freisamer» und «Cuvée Blanche» – das sind Weine, mit denen sich die Zürcher Goldküste mittlerweile schmücken darf. Zu verdanken sind sie zwei Winzern vom rechten Zürichseeufer, Kaspar von Meyenburg in Herrliberg und Diederik Michel in Küsnacht. 

Weissweine vom Zürichsee? Damit konnte man viele Jahre lang kaum jemanden begeistern. Ob Räuschling, Riesling oder Pinot Gris und Pinot Blanc – mehr als Durchschnitt fand man selten. Das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert. Vor allem unter den Weissweinen gibt es heute echte Entdeckungen – wie etwa die Tropfen der Weingüter Schipf in Herrliberg und Diederik in Küsnacht.

Kaspar von Meyenburg trägt nicht nur einen adligen Namen, der gelernte Mikrobiologe sieht auch aus wie ein Grand-seigneur. 1994 hat er das Weingut seiner Vorfahren in Herrliberg übernommen und daraus eine Trouvaille gemacht. Das Herrenhaus direkt an der Seestrasse ist von einer hohen Mauer umgeben. Weiter oben ist es grün bis an den Horizont. Nur die S-Bahn, die an den Rebbergen vorbeizischt, stört die Idylle etwas. Früher reichten die Rebkulturen von Zürich bis Rapperswil. Da, wo heute hunderte Häuser und Top-Villen stehen, war einst ebenfalls alles sattgrün.

Die Geschichte des prachtvollen Weinguts Schipf geht, urkundlich er wähnt, bis auf das Jahr 1398 zurück. Ge- gründet vom Zürcher Tuch- und Seiden- händler David Werdmüller, bauten die Stadtzürcher Familien Werdmüller und Escher im 17. und 18. Jahrhundert das Landgut aus. Eine 300 Jahre alte Trotte und ein imposanter Gewölbekeller, über dem sich ein Rokoko-Festsaal für Tanzanlässe befand, zeugen noch immer von dieser Zeit. Der heutige Hausherr Kaspar von Meyenburg ist promovierter Naturwissenschaftler, machte Karriere als Professor für Mikrobiologie an der Univer- sität Kopenhagen und leitete die Mikrobiologie der ehemaligen Ciba-Geigy in Basel – bis er sich entschloss, das prächtige Gut, das sich seit mehr als 130 Jahren im Besitz seiner Familie befindet, zum zeitgemässen Weinbetrieb umzubauen.

Dass er die geliebte Forschung vor 21 Jahren für die Weinproduktion aufgeben «musste», fiel von Meyenburg nicht leicht. Doch heute sieht er den Berufswechsel positiv. «Weinbau hat ja auch viel mit Mikrobiologie zu tun», sagt er, «und zudem kann man das Resultat sei- ner Arbeit sogar mit Lust geniessen.»

Ich genoss auf dem Weingut Schipf die seltenen Weine der Freisamer Traube, einer Kreuzung aus Pinot gris und Sylvaner. Diesen währschaften Tropfen mit Ecken und Kanten liebt man – oder man lehnt ihn ab. Im Gaumen ist der Freisamer mit kaum einem anderen Weisswein zu vergleichen: Einerseits enthält er eine Note von Holz mit einem Hauch Berga- motte, Quitten und Safran, anderseits schmeckt er erdig, rau und rassig mit kerniger Säure und einer feinen, bleibenden Honignote zum Schluss. Ein höchst spannender Wein, für mich eine Offenbarung! Er passt zu Käse und Fisch und im Frühling ganz klar auch zu Spargel.

Der Entscheid fiel in einer Bar 

Ganz anders als der Patriarch von Meyenburg agiert Diederik «Didi» Michel auf «seinem» Weingut Diederik in Küsnacht. Der erfahrene und passionierte Oenologe bewirtschaftet drei Hektaren Reben, die er zusammen mit seiner Frau Patricia vor knapp anderthalb Jahren von der Besitzerfamilie Welti in Pacht übernahm. Zum Wein kam Michel, der bis 21 weder einen Schluck Alkohol getrunken noch geraucht hatte, als Student: Damals verdiente er sich nebenbei etwas Geld als Cocktail-Mixer in einem Zürcher Club ... Nach Hotelfachschule und Oenologie-Studium in Wädenswil lernte er auf zwei Weingütern die hohe Kunst des Vinifizierens, zuerst in Australien, danach in der Provence. Anschliessend arbeitete er bei Zweifel Weine und bei Kaspar von Meyenburg, wo noch viel Handarbeit gefragt war.

«Hier in Küsnacht haben wir einen alten Rebbestand, die ältesten Stöcke sind mehr als 55 Jahre alt», sagt der Weinbauer. Doch weil es 1983 und 1984 starken Frost gegeben habe, fänden sich leider nur noch wenige solche Jahrgänge. Alte Rebstöcke sind, so sagt man, mit besseren Trauben bestückt, «denn sie können dank ihres grösseren und verzweigteren Wurzelwerks besser Nährstoffe aufnehmen und so auf Extremsituationen wie Trockenheit besser reagieren».

Diederiks Cuvée Blanche ist eine weisse Assemblage aus Riesling-Sylvaner, Räuschling und Pinot Blanc. Der Räuschling verleiht dem sehr milden Riesling-Sylvaner mehr Pep, der Alkoholgehalt liegt etwas über zwölf Prozent. Der Cuvée Blanche ist wunderbar fruchtig, dank seines pfeffrigen Touchs auch sehr erfrischend. Er passt zum Apéro ebenso wie zum Fondue, sollte aber jung konsumiert werden.