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Es prickelt in den Schweizer Kellern

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Stefan Keller

Zehn Jahre ist es her, seit Christian und Francisca Obrecht das Weingut zur Sonne in Jenins übernommen haben. Sie haben Bewährtes ausgebaut und Neues in Angriff genommen. Den Anbau stellten sie auf biodynamische Bewirtschaftung um, mit dem Monolith schufen sie einen Prestigewein, und sie verpassten dem Sortiment mit markanten, aufs wesentliche reduzierte Etiketten einen augenfälligen Auftritt.

 

Seit ein paar Jahren widmen sich die Beiden auch der Schaumweinherstellung: Die Produktion stieg innert weniger Jahre auf 10 000 Flaschen an. Das ist gemessen an einer jährlichen Champagnerproduktion von über 300 Millionen Flaschen ein Klacks, für Schweizer Verhältnisse hingegen eine beachtliche Menge.

 

Der Startschuss im Weingut zur Sonne  fiel 2009. Wie die meisten Deutschschweizer Winzer liessen Obrechts ihren Grundwein bei Paul Gasser in Ellikon nach der Art eines Champagners versekten. Im folgenden Jahr hielten sie einen Teil zurück und übten sich darin, aus Stillwein mittels Flaschenvergärung und Rüttelpult einen feinperligen Schaumwein zu erzeugen. Nur fürs Degorgieren, das Auswechseln des Kronkorkens mit dem Schaumweinkorken, brauchten sie die Hilfe eines Spezialisten; seit zwei Jahren nun sind sie so eingerichtet, dass sie alle Fertigungsschritte selber machen können. Ab diesem Herbst steht sogar ein automatisiertes Rüttelpult im Keller, denn mit 10 000 Flaschen Jahresproduktion ist das regelmässige Drehen von Hand kein Hobby mehr. «Die zweite Gärung ist der heikelste Punkt in der Herstellung», sagt Christian Obrecht. Damit sie gelingt, soll der Grundwein maximal zwölf Volumenprozent aufweisen, das heisst, die Trauben müssen rechtzeitig geerntet werden. Und das Kellerklima muss stimmen: «Eine ganze Charge mussten wir nochmals öffnen, weil wir der Temperatur zu wenig Bedeutung schenkten, es war zu kalt für eine ordentliche Gärung.»

Mit Erfahrung und Gefühl

Fingerspitzengefühl und Erfahrung brauche es auch beim Ansetzen der Hefe. Bis zum Jahrgang 2013 setzte sich Obrechts Brut aus Pinot Noir, Pinot Meunier und etwas Syrah zusammen. In der jüngsten Abfüllung wird auf Syrah verzichtet, da die Pinot-Meunier Pflanzung mittlerweile genügend trägt. Diese Sorte trägt wesentlich zu Struktur und Aromen bei. Die leichte Färbung des Schaumweins ist gewollt. Sie entsteht, weil die Trauben erst nach einer kurzen Maischestandzeit abgepresst werden, und der Wein nicht kohlegeschönt wird; die Wirkung des Gerbstoffs ist im Wein denn auch spürbar. «Wir wollen einen möglichst puren Schaumwein machen. So verzichten wir auch auf eine Dosage», sagt Christian Obrecht. Die Dosage ist der Zuckerzusatz vor der Fertigstellung des Produkts, sie kann in der Kategorie der Brut-Schaumweine bis 15 Gramm pro Liter betragen. Obrechts rescher 2014er ist denn auch alles andere als Kinderweihnachten.

«Wir mögen den Typ Brut nature am liebsten, und im Gegensatz zu einem Champagner suchen wir keine Reifenoten. Wir arbeiten ausschliesslich mit jungen Weinen und bauen sie auch kürzer auf der Hefe aus», erklärt Christian Obrecht. Bei der Kundschaft  jedenfalls kommt der prickelnde Herrschäftler gut an, gerade auch in der Gastronomie im O enausschank.

Schweizer Schaumweine: kompetitive Preise

Einer der Grossen im Schweizer Schaumweingeschäft  ist der Walliser Jacques Germanier. Seine Produktion ist in den vergangenen 25 Jahren auf 100 000 Flaschen angewachsen. Damals gelang es ihm, einen Teil seiner Traubenlieferanten davon zu überzeugen, in den hohen Lagen schlecht reifenden Chasselas durch Chardonnay zu ersetzen, und er bezahlte ihnen für die von ihm gewünschte Sorte auch einen deutlich höheren Preis.

Gleichzeitig liess Germanier für die Flaschenreifung einen 350 Meter lan- gen Tunnel in den Fels hauen, der seinem Betrieb auch den Namen gab: dem Cave du Tunnel. «Das Klima wäh- rend des Ausbaus ist von entscheidender Bedeutung», ist Jacques Germanier überzeugt. Drei Typen bietet er unterdessen an: einen Brut mit zwei Jahren Flaschenlagerung, einen Millésimé mit drei Jahren Flaschenreifung und einen Rosé aus Pinot-noir-Trauben. Obwohl er mit dem Rosé kommerzielle Erfolge feiert, schlägt sein Herz für die beiden Blanc de Blancs, die reinsortigen Chardonnay. «Pinot noir gibt keine Frische, und die Souplesse und Fruchtigkeit des Chardonnay sind fantastisch.» Jacques Germanier hatte einen guten Riecher: Er antizipierte eine Modewelle und professionalisierte rasch die Produktion. Dank Swissness und ein im Vergleich zu Champagner deutlich günstigerer Verkaufspreis ist er gut aufgestellt.

Auch Urs Hugi erkannte das Potenzial von Schweizer Schaumwein. Als er vor ein paar Jahren die Geschäftsführung der Caves Châtenay-Bouvier übernahm, wurden gerade mal 3000 Flaschen Brut produziert, heute sind es fünf Mal mehr. Hugi hat eine gute Geschichte zu erzählen: Die Gebrüder Bouvier kelterten schon Anfang des 19. Jahrhunderts Schaumweine, die auch an den Hof des preussischen Königs geliefert wurden und in den Sechzigerjahren kam sogar eine Bestellung aus dem Weissen Haus in Amerika an den Neuenburgersee: Jacqueline Kennedy - Bouvier wollte den Schaumwein ihrer Vorfahren kennenlernen. Auf eine zweite Bestellung wartet man in Boudry allerdings heute noch.