Die Qualität hat sich unglaublich verbessert
- Sonntag 04 Oktober 2015
Weinkenner Martin Kilchmann über Schweizer Weine und die neusten Trends im Weinbau. Weinpublizist Martin Kilchmann degustiert 500 Weine pro Jahr.
Wie viele Weine haben Sie getestet?
Ich degustiere das ganze Jahr über Schweizer Weine. Teilweise blind, an Präsentationen oder bei Win- zerbesuchen. So kommen gut und gerne 500 Weine zusammen. Dar- aus habe ich eine Auswahl getrof- fen und nochmals getestet.
Warum beschränken Sie sich auf Chasselas, Merlot und Pinot noir?
Die drei Sorten sind die Leitsor- ten des Landes. Aus allen wichti- gen Traubensorten die fünfzig Bes- ten zu wählen, erscheint mir etwas willkürlich und vermessen.
Gab es positive oder negative Überraschungen?
Positiv überrascht haben mich die Pinots noirs des Jahrgangs 2013. Hier haben wir es, vor allem in der Bündner Herrschaft, mit einem ex- zellenten Jahr zu tun. Negativ ist, dass es davon wenig gibt, da die Ernte klein war.
Wie gut sind die Schweizer Weine?
Die Qualität der Schweizer Weine hat sich in den letzten zehn Jahren unglaublich verbessert. Wäre es früher unmöglich gewesen, eine Liste von hundert aussergewöhn- lich Weingütern zu erstellen, hat man heute die Qual der Wahl.
Woran liegt das?
Die Winzer sind besser ausgebil- det. Sie besuchen Betriebe im Aus- land und setzen die Erfahrungen zu Hause um. Sie arbeiten naturnah, teilweise biologisch oder gar biologisch-dynamisch. Das gibt präzisere, lebendigere Weine.
Können sie mit den grossen Europäern mithalten?
Für die absolute Topliga reicht es noch nicht. Dafür ist die Entwicklung noch zu jung. Aber mit den sehr guten europäischen Weinen können wir absolut mithalten.
Wie altern die Weine?
Das Gros der Schweizer Weine wird mit Vorteil innerhalb von zwei, drei Jahren getrunken. Doch Spitzentropfen vermögen mit Gewinn zu altern und nehmen die 10-Jahres-Hürde mit Bravour.
Sind Schweizer Weine zu teuer?
Im oberen Qualitätsbereich sind die Weine auch im Ausland teuer. Mit günstigen Weinen können wir nicht mithalten. Dafür sind die Produktionskosten zu hoch.
Werden sie im Ausland überhaupt wahrgenommen?
Nicht gross, höchstens als Spezia- litäten. Aber das hat auch damit zu tun, dass man diese Weine im Ausland kaum kaufen kann. Es fehlt vor allem die Menge.
Wohin geht der Trend?
Weine aus autochthonen, regional verwurzelten Rebsorten haben Konjunktur. Und es wird vermehrt auf Eleganz und Trinkigkeit ge-schaut. Doch im Weinbau gibt es nicht nur eine Wahrheit. Winzer sind Individualisten. Ein Stück weit setzt sich jeder den Trend selber.
Kann sich der Schweizer Wein noch steigern?
Im Keller ist bei den Spitzenpro- duzenten das Potenzial wohl aus- geschöpft. Auf der Suche nach ge- sunden, reifen, aromatischen Trau- ben bietet der Rebberg aber noch Spielraum für Verbesserungen.