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Der Pinot noir hat das Bündner Rheintal erobert

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Rudolf Trefzer

Im Bündner Rheintal dominieren nicht mehr die Weissweine, sondern die Burgundersorte Pinot noir. Die Weine weisen ein bemerkenswert hohes Qualitätsniveau auf.

Die aus dem Burgund stammende Pinot-noir-Rebe gehört zu den beliebtesten und ange­sehensten, aber auch zu den launischsten Varietäten der Welt. In der Weinwelt war man lange der ­Ansicht, dass es unmöglich sei, aus ihr ausserhalb des Burgunds überzeugende Weine herzustellen.

Doch längst haben ambitionierte und qualitätsbewusste Winzer bewiesen, dass aus der edlen Burgundersorte auch in anderen Weinbaugebieten hervorragende Gewächse gekeltert werden.

Stecklinge aus Frankreich

Eines von diesen Gebieten ist das Bündner Rheintal, wo von der 423 Hektaren umfassenden Rebfläche nicht weniger als drei Viertel mit Blauburgunder, wie der Pinot noir hier auch genannt wird, bepflanzt sind. Noch bis Mitte des 17. Jahrhunderts wurden im Bündner Rheintal mehrheitlich weisse Rebsorten, vermutlich Elbling und weisser Veltliner, ­kultiviert. Während der Zeit der «Bündner Wirren» (1618 bis 1639) sollen aus Frankreich heimkehrende Söldner Stecklinge von Pinot-noir-Reben mitgebracht haben.

Innert weniger Jahre verdrängte die edle Burgunderrebe die alten weissen Sorten. Seither ist der Pinot noir die dominierende Rebsorte im Bündner Rheintal zwischen Bonaduz und Fläsch.

Es geht nicht nur im Burgund

Wenn sich heute das Weinbaugebiet im Bündner Rheintal selbstbewusst «Burgund der Schweiz» nennt, dann spielt man damit nicht nur auf die Bedeutung des Pinot noir als dominierende Rebsorte an, sondern verweist auch nicht ohne Stolz auf das bemerkenswert hohe Qualitätsniveau der heute erzeugten Weine. Noch bis in die 1970er-Jahre wurden Reben vorwiegend in gemischten Landwirtschaftsbetrieben neben Ackerbau und Viehwirtschaft kultiviert.

Mit der Gesamtmelioration in Fläsch in den Jahren 1969 bis 1975 und später mit der Erweiterung der Rebbauzonen in den anderen Gemeinden avancierte der Weinbau zum wichtigsten Landwirtschaftszweig. Mit der Spezialisierung und der damit verbundenen Professionalisierung erweiterte sich auch der Orientierungsrahmen. Die roten Burgunderweine wurden zur qualitativen ­Referenzgrösse einer wachsenden Zahl von Winzern.

«Tradition», «Passion» und «Unique»

Der Malanser Winzer Thomas Donatsch ist einer der Qualitätspioniere im Bündner Rheintal. Unzählige Male reiste er in den 1970er-Jahren ins Burgund und knüpfte Kontakte mit dortigen Kollegen. Donatsch war dann auch der Erste, der in der Schweiz mit Barriques experimentierte. 1973 baute er erstmals den Pinot noir der Lage Spiger in drei gebrauchten Fässern aus, die er von André Noblet, dem damaligen Kellermeister der ­Domaine de la Romanée-Conti, geschenkt bekommen hatte.

Anfangs von seinen Winzerkollegen noch kritisch beäugt, zeigte sich aber bald, dass seine Pinots noirs mit ihrer stoffigen Vielschichtigkeit und ihrem beachtlichen Alterungspotenzial zu den besten Weinen gehörten, die hierzulande erzeugt wurden. Mittlerweile hat Sohn Martin das Zepter übernommen und beweist seinerseits, dass die Pinots noirs der drei Linien «Tradition», «Passion» und «Unique» keinen internationalen Vergleich zu scheuen brauchen.

Gesuchte und rare Crus

Ebenfalls zu den Qualitätspionieren der ersten Stunde gehört Georg Fromm. In burgundischer Manier erzeugt er neben dem ­Basis-Pinot-noir «Village» aus Malanser Einzellagen vier Crus, die gesucht und rar sind.

Zu den Bündner Urgesteinen des Qualitätsweinbaus zählt auch Gian-Battista von Tscharner. Zusammen mit seinem Sohn ­Johann-Baptista keltert er in seinem Schloss in Reichenau nicht weniger als sieben eigenständige Blauburgunder-Crus und dekliniert mit diesen virtuos die feinen Unterschiede der Reblagen in Felsberg, Chur, Jenins und Maienfeld durch.

Alterungsfähig

Eines der bekanntesten Vorzeigegewächse des Gebiets ist der Pinot noir des Fläscher Quereinsteigerpaars Martha und Daniel Gantenbein. Schon in den 1980er-Jahren setzten sich die beiden zum Ziel, gehaltvolle, lang­lebige Weine zu erzeugen.

Mit ihrem kompromisslosen Qualitätsstreben wurden sie zum Vorbild für die ehrgeizigen Vertreter der nachrückenden jüngeren Winzergeneration. Und diese bestätigen nun eindrücklich, an was vor noch nicht allzu langer Zeit kaum jemand glaubte: Dass sich im Bündner Rheintal ­eigenständige, grosse und alterungsfähige ­Pinots noirs erzeugen lassen.