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Swissness zum Trinken

Quelle /
Wolfgang Fassbender
Gastronomen entdecken die Schweizer Weinkultur, Gäste das Swiss Wine Gourmet Label.

Wer gut essen und gleichzeitig heimische Weine der besten Art trinken will, kann sich nach den klassischen Restaurantführern richten oder sich am Swiss Wine Gourmet Label orientieren. Der Guide zu den empfehlenswertesten Restaurants und Weinbars der Schweiz wird von Woche zu Woche umfangreicher.

Ein Bordeaux musste es schon sein, früher, wenn man sich zum gepflegten Essen im Restaurant traf. Je besser das Lokal und je wichtiger der Anlass, desto selbstverständlicher war die Bestellung eines Premier Crus aus Margaux oder aus dem Médoc. Und wenn es keine Cabernet-Merlot-Assemblage aus dem französischen Südosten war, dann sicher ein Burgunder von der Côte d’Or oder zumindest seit den späten Neunzigern, ein hochklassiger Roter aus der Rioja oder dem Ribera del Duero. Doch Schweizer Crus zu Kalbskotelett und Fischteller? Hiesige Ware als Mittelpunkt eines Mittag- oder Abendessens? «Wenn es ein Spitzenwein sein sollte, dann war das früher oft nicht der Fall», erinnert sich René Zimmermann, Gastronom in der für heimische Weine und regionale Küche spezialisierten «Wirtschaft Neumarkt» in Zürich. Wobei es schon in den Siebzigern und Achtzigern regionale Unterschiede gab. Wurde der Schweizer Wein in der Waadt schon früh ernstgenommen und beispielsweise als Dézaley wertgeschätzt, galt er in weiten Teilen der Deutschschweiz noch bis vor ein paar Jahren als kaum salonfähig.. Beerliwein eben. Gut als Begleitung eines zünftigen Imbisses, aber kaum geeignet für repräsentative Zwecke.

Swiss Wine Gourmet mit den besten Adressen

Zum Glück hat sich manches geändert in den Restaurants zwischen Basel und St. Moritz, von Kandersteg bis Verbier. Die Weinkarten wurden schweizerischer, die Sommeliers sind neugieriger denn je. Und die Winzer der Schweiz? Liefern längst Spezialitäten, die bezüglich Qualität und Flaschenausstattung mit den besten Bordeaux mithalten können. Daniel Gantenbein, der Fläscher Ausnahmewinzer trug viel dazu bei, Schweizer Rotwein auch im obersten Segment zu etablieren. In fast allen Kantonen folgten Kollegen seinem Qualitätsstreben. Inzwischen ist das Angebot weinaffiner Lokale so gross, dass es der Hilfestellung bedarf. Mehr als 1000 Restaurants aus fast allen Kantonen der Schweiz sind heute auf der Website von Swisswine unter der Rubrik Swiss Wine Gourmet als empfehlenswert gelistet, etliche davon tragen sogar die Höchstauszeichnung von drei Gläsern für eine besonders vielfältige Auswahl. Im «Pavillon» des «Baur au Lac», einem der nobelsten Restaurants des Landes, hat Sommelier Marc Almert die reine Freude an einer Bestellung Schweizer Weiss- und Rotweine, und im «The Restaurant» im «Dolder» schenkt seine Kollegin Lisa Bader auf Wunsch auch zu jedem einzelnen Gang der mit zwei Sternen bedachten Küche Schweizerisches aus. Die Kreationen etablierter und junger Winzer des Landes auf die Karte zu setzen, ist für diese neue Generation der Sommeliers nie Pflicht, immer Kür. Auch für die vielen jungen Gastronomen, die mit neuen Konzepten und mit regionalen Produkten und Nachhaltigkeit trumpfen. Dass man im Basler Hotel «Krafft» ebenso ein feines Sortiment an heimischen Gewächsen findet wie im «Old Swiss House» in Luzern, hat sich unter den Stammgästen herumgesprochen. Und der «Jägerhof» in St. Gallen wird nicht zuletzt dank der kreativen Schweizer Weinempfehlungen der jungen Sommelière Jasmin Fritsche zum Erlebnis. Die Westschweiz ist übrigens nicht zu unterschätzen, was die Begeisterung für trinkbare Swissness angeht: In Genfs sterngekröntem «Le Chat-Botté» setzt der Sommelier nicht nur auf Champagner und Burgunder, sondern auch auf die Vielfalt Genfer Rotweine. Und was das Tessin angeht: Ohne Merlot aus Sopra- und Sottoceneri läuft da gar nichts.

Schweizer Wein als Trendgetränk

Manche Gastronomen treiben es gar so weit, dass sie mehr Schweizer Weine verkaufen als Französische, Italienische und Spanische zusammen. Verlangt natürlich nicht nur ein gutes Angebot an Heimischem, sondern auch persönliches Engagement und Überzeugungsarbeit. «Wir lagern die Weine bis zur Trinkreife», beschreibt «Neumarkt»-Chef René Zimmermann seine Philosophie. Was er dem Gast einschenkt, muss sich im bestmöglichen Zustand befinden, auch wenn es den Wirt Kapital für all jene Schätze kostet, die jahrelang im Keller auf ihren grossen Auftritt warten. Überzeugen muss das Ausgeschenkte übrigens nicht nur im Flaschenbereich, sondern auch bei den offenen Weinen. Bestes von Marie-Thérèse Chappaz, der Walliser Top-Erzeugerin, wird im «Neumarkt» auch mal per Dezi angeboten. Dass ein Glas vom feinsten Roten oder von exklusiven Süssweinen auch mehr kostet als die Portion einfachen Zechweines, ist den Geniessern klar. Die echten Weinfreunde, so Zimmermann, hätten längst begriffen, was solche Spezialitäten wert seien. Und was die Schweizer Weinqualität angehe, liege diese ohnehin im Trend der Zeit. Aus der Mode gekommen ist dagegen das allzu Üppige. «Man hat ja oft genug von den aufgepowerten Dingern», sagt René Zimmermann. Eleganz und Finesse scheinen heute mehr gefragt als Alkohol und Holz. Die grosse Zeit des Schweizer Weines in der Gastronomie hat offenbar gerade erst begonnen.