Dem Wein mehr Gewicht geben
- Donnerstag 09 November 2017
Die Weinkarte ist ein wichtiger Umsatzfaktor in der Gastronomie. Viele schöpfen ihr Potential jedoch zu wenig aus.
Wohliges Ambiente, feines Essen und ein schönes Glas Wein als Begleiter – doch bis zu diesem vollkommenen Glück müssen sich die Gäste vorgängig durch eine umfangreiche Weinkarte kämpfen, um den richtigen Wein auszusuchen. Oft ist der Gast überfordert, insbesondere wenn die fachliche Wein-Beratung fehlt.
Einige Weinmagazine haben es sich darum zur Aufgabe gemacht, Weinkarten in Restaurants zu bewerten. In der Schweiz hat Vinum zum ersten Mal den Swiss Wine List Award vergeben. Eine 25-köpfige Jury hat 253 Weinkarten in fünf Kategorien bewertet. Bruno-Thomas Eltschinger, Jurypräsident und Präsident des Sommelier-Verband Deutschschweiz, legte ein Augenmerk darauf, dass die Betriebe beispielsweise ein genügend grosses Angebot an Weinen im Offenausschank bereithalten. «Restaurants, die eine spannende Auswahl an Weinen im Offenausschank anbieten, können mehr Umsatz generieren», betont Eltschinger. Die Gäste möchten zwar Wein trinken, haben aber immer die Promillegrenze im Hinterkopf.
Zu den von Vinum ausgezeichneten Betrieben gehört zum Beispiel das Hotel Royal Savoy in Lausanne. Für die Sommelière Sarah Pages bedeutet der Preis mehr Sichtbarkeit und Ansehen für den Betrieb. «Es ist wichtig, dass jemand im Betrieb etwas von Wein versteht und die Gäste beraten kann.» Ein attraktives Weinangebot bedeute viel Arbeit, man müsse sich mit der Materie auseinander setzen. «Ich bin überzeugt, es lohnt sich.»
Auch das amerikanische Weinmagazin Winespectator bewertet Restaurants und ihre Weinkarten. Die Wine Spectator’s Restaurant Awards zeichnen Restaurants aus, deren Weinkarten eine interessante Auswahl bieten. Die Weine sollen zu dem Speiseangebot im Restaurant passen und die Weinliebhaber ansprechen. Das Restaurant Adler in Hurden am Zürichsee wird schon seit geraumer Zeit regelmässig von Winespectator ausgezeichnet. Gastgeber Markus Gass schätzt diese zusätzliche Werbung zwar: «Doch viele Gäste besuchen uns seit Jahren ohnehin, weil wir ein so umfangreiches Weinangebot vorweisen.»
Für die Juroren des Swiss Wine List Award von Vinum ist die Harmonie von Speisen und Wein ein wichtiger Faktor. «Uns ist auch wichtig, dass das Angebot an Weinen aus der Region, in dem sich das Restaurant befindet, ausgewogen ist», erklärt Bruno-Thomas Eltschinger. Diesbezüglich habe er festgestellt, dass immer mehr Betriebe grossen Wert auf einheimische Weine legen. «Auch die Auswahl an autochthonen oder einheimischen Traubensorten hat in der Gastronomie zugenommen.»
Von Vinum sowie vom österreichischen Magazin Falstaff bewertet wurde das Restaurant Café Boy in Zürich. Für Gastgeber Stefan Iseli bedeuten beide Auszeichnungen eine Bestätigung für seine Arbeit und einen kleinen Schubser für den Betrieb. «Ich bin schon seit über 20 Jahren in der Gastronomie tätig und beschäftige mich ständig mit Wein.» Er könne beurteilen, was die Gäste mögen, und sie mit Weinen überraschen, die sie nicht kennen. «Für jemanden, der neu in der Gastronomie tätig ist, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, sich gleich ein so grosses Wissen anzueignen.» Er rät Gastronomen, die sich mehr mit Wein auseinandersetzen möchten, jemanden zur Beratung beizuziehen.
Der Westschweizer Journalist Pierre Thomas findet es grundsätzlich in Ordnung, dass deutschsprachige Magazine Weinkartenbewertungen von Restaurants in der Romandie vornehmen: «Nur ist es leider so, dass in vielen dieser Nachschlagewerke die französischsprachige Schweiz einen kleinen Teil einnimmt. Obwohl 75 Prozent der Schweizer Weine in der Westschweiz produziert werden.» Als positiv erachtet er, dass alle Betriebe, egal ob in der West- oder Deutschschweiz, vermehrt Weine aus der Region anbieten.