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Viele Betriebsarten führen zum Wein

  • Donnerstag 13 Oktober 2016
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Christian Dietz-Saluz

Bilder: Christian Dietz-Saluz. 1) Links. Hobbywinzer Ruedi Schrämli aus Richterswil überlässt die Kellerarbeit einem Winzer in Meilen, den er als Lohnkelterer beauftragt. 1) Recht. Landwirt Werner Guyer liefert seine Trauben an den Grosskelterer. Einen Teil des Weins nimmt er für den Hofverkauf wieder zurück.  2) Stefan Kümin ist Weinhändler und Winzer, der mit über 50 Traubenlieferanten zusammenarbeitet. 3) Gusti Pünter ist ein Winzer, der im Weinbau von A bis Z alles selber macht.

 
Anfang und Ende des Weines sind überall gleich. Aber die Wege sind verschieden, den die Trauben vom Rebstock bis in die Flasche nehmen. Das zeigen ­Ruedi Schrämli, Werner Guyer, Stefan Kümin und Gusti Pünter. Einer lässt seinen Wein vom Lohnkelterer machen, der Zweite liefert seine Trauben einem Grossbetrieb, der Dritte kauft Trauben von Weinbauern, der Vierte macht alles selber.

 

Diese Beispiele verdeutlichen, wie individuell Ausbildung, Auf­gabe und Betriebsstrukturen im Weinbau am Zürichsee sind. Allen gleich ist die Hingabe zu einer uralten Genusskultur.

Der Hobbyweinbauer

Ruedi Schrämli ist stolz, dass ­jedes Jahr rund 2500 Flaschen mit seinem Namen auf der Etikette getrunken werden. Aber gekel­tert hat den Wein der Meilemer Winzer Marcus Schneider. «Ich bin Hobbyrebbauer; mir fehlt das Know-how, ich komme aus einer ganz anderen Berufsgattung», sagt der 66-jährige Rich­ters­wiler. Der ausgebildete Koch und Gastronom hatte immer schon mit Wein zu tun. 2008 machte er ihn zum Hobby, als Schrämli zwei Parzellen in der Richterswiler Wand­flue und am Kirchenhügel pachten konnte.

Der Agroscope-Wissenschaftler Werner Siegfried brachte ihm den Weinbau näher. Daraus entwickelte sich Liebhaberei mit Wissensdurst. Schrämli bildet sich laufend weiter mit Literatur, Weinreisen und Austausch mit Experten. Bei 37 Aren Rebfläche – das entspricht rund zwei Dritteln eines Fussballfeldes – könnte er sich keinen Weinkeller mit all den Maschinen leisten. Was aber nicht heisst, dass seine Trauben in irgendwelchen Weinen anonym aufgehen dürfen. «Meine Weine müssen alleine gekeltert werden, da kommt nichts ande­res rein», sagt Schrämli. ­Seine Produkte nach Richters­wiler Reinheitsgebot sollen sich jedes Jahr unterscheiden. «Ich will, dass man die Jahrgänge erkennt.» Dar­um legt er Wert auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kelterer. «Mit Mar­cus Schneider passt es perfekt, auch menschlich.»

Ebenso überlässt Schrämli den Verkauf einem Profi. Sein Riesling-Silvaner, Räusch­ling und Rotwein aus Garanoir und Pinot noir wird von Preisig Käse & Wein in Richterswil verkauft. Mit dem Erlös sind die Kelterungs- und Materialkosten gedeckt. «Die Arbeit rechne ich gar nicht erst ein», sagt er. «Ein ­Hobby darf ja auch etwas kosten.»
 

Der Traubenproduzent

Bei Werner Guyer ist der Weinbau ein gewichtiger Betriebszweig. Der 56-jährige Feldbacher bewirtschaftet zusammen mit einem Mitarbeiter das Gut Rosenberg mit 35 Hektaren Nutzfläche, Mutterkuhhaltung mit 80 Stück Vieh, Ackerbau und 4,7 Hektaren Rebland. Darauf werden Riesling-Silvaner, Räuschling, Sauvignon blanc, Cabernet Jura, Blauburgunder und Da Capo angebaut. «Ich habe vor meiner Anstellung hier 1987 nie einen Rebstock gesehen», sagt Guyer. Mit 1,8 Hektaren im 1987 hat sich die Rebfläche in den 30 Jahren auf heute 4,7 Hektaren mehr als verdoppelt, und Guyer pflegt die mehr als 20 000 Rebstöcke mit Leidenschaft.

Für Guyer ist die Kooperation mit dem Traubenkäufer wichtig. Experimentieren mit neuen Sorten sei möglich, aber nur in Absprache mit Stefan Kümin. Die jährlich 35 bis 40 Tonnen Trauben liefert Guyer der Weinbau Kümin AG in Freienbach. Sind die Trauben im Fass, endet das Rebjahr für Guyer.

Die Kelterung der Rosenberger Trauben ist schon immer einer externen Kellerei, seit 1996 der Gebrüder Kümin AG, übertragen worden. Selbstkelterung wäre ein zusätzlicher Betriebszweig, der grosse bauliche, maschinelle und personelle Investitionen erforderte. «Ich bin Landwirt und ­hatte genug betriebliche Herausforderungen, ohne mich auch noch mit der Önologie beschäftigen zu müssen», erklärt Guyer.

Rund einen Fünftel der Ernte nimmt er wieder in Form von Flaschen zurück. Rosenberger Wein lässt sich gut ab Hof verkaufen.
 

Der Traubenkäufer

Gebrüder Kümin Weinbau und Weinhandel AG in Freienbach ist seit 114 Jahren im Geschäft. Auf 15 Hektaren in der Ostschweiz (Rap­pers­wil-Jona, Tuggen, Alten­dorf, Leutschen, Quinten, Buchberg SH) bewirtschaftet die Firma Reben im Eigenanbau. «Unser Winzerstolz», nennt es Stefan Kümin, Geschäftsleiter in vierter Familiengeneration.

Vor allem wird in den eigenen Rebbergen das Know-how gepflegt, um mit den rund 50 Traubenlieferanten aus der Region auf fachlicher Augenhöhe reden zu können. «Das sind meist langjährige Partnerschaften», sagt Kümin. Er und seine 20 Mitarbeiter stehen den Lieferanten beratend zur Seite. «Wir besuchen die Betriebe, besprechen vor Ort alles», erzählt der 48-Jährige.

Enger Kontakt ist förderlich, um gemeinsam den Bedürfnissen des sich stetig wandelnden Marktes zu entsprechen. Dazu braucht es Regeln. «Der Sortenspiegel wird von uns festgelegt», erklärt Kümin. Das gilt ebenso für Menge und Zuckergehalt der Trauben. Mit solchen Absprachen können die AOC-Richtlinien der Kantone und der Region Zürichsee eingehalten werden. «Wir bieten langfristige Zusammenarbeit an, die dem Traubenproduzenten eine Existenz ermöglicht», sagt Kümin. Kontinuität liege in beiderseitigem Interesse. Auch der Erntetermin verlangt nach Planung. «Es ist manchmal schwierig, den Wümmet zu koordinieren, damit nicht alle gleichzeitig ihre Trauben liefern», erklärt der Geschäftsleiter.

Welches Herz schlägt stärker: das des Winzers oder das des Weinhändlers? Kümin denkt kurz nach. Er könnte selber Winzer im Kleinen sein. «Das ist die eine Seite, bäuerlich geprägt, ein sympathisch-urchiges Metier mit bodenständigen Leuten», sagt er. Aber er ist eben auch Weinhändler mit Leib und Seele. «Wir verkaufen im grossen Stil im Aus­sen­dienst den Wein. Das ist die geschäftliche Seite des Anbieters. Und die bietet viele reizvolle Herausforderungen.»

 

Der Selbstkelterer

Bei Gusti Pünter geht vom Rebstock bis zum Abfüllen des Weins alles durch seine Hände. Der 56-jährige Stäfner ist Eigenkelterer und schätzt die Abwechslung. «Ich übe verschiedene Berufe zur selben Zeit aus, ich bin Winzer, Önologe, und von Marketing und Verkauf sollte ich auch etwas verstehen.» Diese Vielseitigkeit sei komplex und anspruchsvoll, denn «du kannst nicht überall sehr gut sein, das ist eine Herausforderung an die eigenen Ansprüche».

Pünter bewirtschaftet den Fami­lien­betrieb in vierter Generation: das Weingut mit 4 Hektar Rebland (11 Sorten für 15 Weine) plus etwas Ackerbau und Waldarbeit. Er schätzt die Unabhängigkeit, selbst entscheiden zu können, was und wie er anbaut. Man spürt, dass er gerne probiert. Er testet Hefe­arten, vergleicht die Resultate von unterschied­lichen Gärungstemperaturen. «Jede Methode wirkt sich aufs Aroma, auf Geschmack und Weinstilistik aus», sagt Pünter. Am Ende bestimme aber der Markt, was ankommt. Und dar­um stehe eine Devise über allen: «Man kann nicht jeden Trend mitmachen, man muss sich selber treu bleiben.»

Selbstkelterer zu sein habe auch Nachteile. «Zum Beispiel jetzt im Herbst», sagt Pünter. «Da muss ich überall gleichzeitig sein – im Rebberg, im Keller, Termine koordinieren, Helfer für den Wümmet organisieren, das Wetter im Auge behalten – das ist eine grosse körperliche und psychische Belastung.» Ohne viele tüchtige Helfer wäre dies nicht möglich. Und doch würde er nie mit anderen tauschen wollen. Nicht zuletzt, weil er von A bis Z für ein Produkt mit seinem Namen einstehe. Und der werde immer wichtiger. «Früher standen Wein­sorte und Lagebezeichnung an erster Stelle auf der Eti­kette», erklärt er. «Heute kommt der ­Name des Winzers zuerst.»

Gusti Pünter ist sich bewusst, dass seine Unabhängigkeit vor ­allem von der Grösse des Betriebs abhängt. 4 Hektaren seien das Minimum für Selbstkelterer. «Das ist eine Grösse, von der eine Familie gut ernährt werden kann.»