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Im Osten gedeiht Neues

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Text: Peter Keller, Bild: Christine Benz
Lange wurde der Thurgau für seine «Beerliweine» belächelt. Heute hingegen bietet «Mostindien» önologische Qualität, die überzeugt – sie kommt von Winzern wie Michael Broger und Michael Burkhart.

Michael Broger weiss genau, was einen exzellenten Wein auszeichnet: Zwei Personen sitzen am Tisch und stellen plötzlich fest, dass die Flasche leer ist. Nun, aus dem Thurgau, wo der Winzer arbeitet, kamen noch vor wenigen Jahren Tropfen, die wenig Genuss bereiteten. Es waren «Beerliweine», hell in der Farbe, kitschig-fruchtig im Bouquet, mager und dünn im Gaumen.

Diese Zeiten sind vorbei, zumindest bei den ambitionierten Produzenten. Dazu zählt Michael Broger. Sein etwas versteckt gelegenes Gut, ein schlichter Bauernhof mit unfertiger Scheune, liegt am Fusse des 55 Hektaren grossen Ottenbergs bei Weinfelden. Der Thurgauer mit Appenzeller Wurzeln wagte vor mehr als zehn Jahren den Sprung in die Selbständigkeit, nachdem er vorher auf dem benachbarten Schloss Bachtobel tätig gewesen war. Dieser Betrieb ist heute noch Wegbereiter für die Qualitätsrevolution im Thurgau. So setzte der einstige, zu früh verstorbene Besitzer und Querdenker Hans-Ulrich Kesselring als Erster in der Region das kleine Eichenfass für den Ausbau seiner 

Broger setzt auf Barrique

Auch Michael Broger verwendet für seine Spitzenprodukte das Barrique. Doch das Behältnis allein garantiert keineswegs eine hohe Qualität, wie sie der 46-jährige Weinbauer versteht. Er bewirtschaftet die Rebfläche von 2,8 Hektaren nach biologisch-dynamischen Methoden, verwendet keinen Dünger, benutzt kleine Traktoren nur zum Pflanzenschutz und Grasschnitt, verzichtet für seine Pinots noirs vorwiegend auf sogenannte Burgunder-Klone und schwört lieber auf alte Schweizer und neue deutsche Klone, die besser zum Thurgau passen würden. Sein Ziel: ein ehrliches, authentisches Produkt erzeugen, bei dem man den Jahrgang schmeckt. 

Das konsequente Handeln ist risikoreich. In einem feuchten Frühling/Frühsommer wie 2016 gefährden die Ausfälle wegen des Falschen Mehltaus schon fast die Existenz: Broger bringt eine Ernte von lediglich 200 bis 300 Gramm statt 550 bis 600 Gramm pro Quadratmeter ein. Solche Gefahren will sich Michael Burkhart vom gleichnamigen Weingut in Weinfelden nicht aussetzen. «Wir haben den Versuch mit Biodynamik 2012 nach einem Jahr abgebrochen», erklärt der ausgebildete Winzer. Er schaue jedes Jahr darauf, dass möglichst wenige Trauben kaputtgehen würden. Die Reben werden so wenig wie nötig gespritzt. Wenn es aber ans Lebendige gehe, dann setze er Chemie ein, ergänzt Burkhart. Schwarze Zahlen seien zwingend, um den Betrieb weiterentwickeln zu können.

Burkhart forciert Weisse

Der 35-Jährige, der das Gut von seinen Eltern übernommen hat, führt einen für den Thurgau eher untypischen Betrieb. Mehr als die Hälfte der Produktion entfällt auf Weisswein. Burkharts waren die Ersten, welche die Spezialität Kernling anpflanzten. Sie entstand durch eine Mutation des Kerners. Eine steigende Nachfrage sowie weniger anfällige Sorten als der Pinot noir sind die Hauptgründe, hauptsächlich Weisse zu keltern. Noch dominieren am Ottenberg mit vier von fünf gepflanzten Rebstöcken die roten Trauben. Aber das Verhältnis werde rasch ändern, glaubt Burkhart.

Dank der neuen Generation um Burkhart und Broger, zu der auch Martin Wolfer in Weinfelden gehört, ist eine neue Dynamik entstanden. Die Nachfolger von Hans-Ulrich Kesselring treiben sich gegenseitig an. Neue Schweizer Wein-Ikone Auch auf Schloss Bachtobel selber wird nicht auf den Lorbeeren ausgeruht – im Gegenteil. Kesselrings Neffe Johannes Meier führt das Gut in die Zukunft und kann auf eine erfahrene Önologin mit dem beziehungsreichen Namen Ines Rebentrost zählen. Sie wollen die hohe Qualität der Weine halten. Dies gelingt mit Bravour, wie die mit Nummern bezeichneten Pinots noirs zeigen. Mit der relativ neuen Kreation Nummer 4 wurde gar eine neue Ikone der gesamten Schweiz geschaffen, so das Urteil des deutschen Magazins «Fine».