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Wyschiff ahoi!

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Text: Eva Zwahlen, Fotos: Hans-Peter Siffert

Schwimmendes Schaufenster für Qualitätsweine aus der Schweiz

Das Wyschiff? Eine kleine, feine Weinmesse in fünf Schweizer Städten, die ausschliesslich ausgewählten Schweizer Produzenten vorbehalten ist und den Wein dorthin bringt, wo er hingehört: zu den Konsumenten.

Wer beim Besuch des Wyschiffs trunkene, von Fondueduft geschwängerte Volksfestatmosphäre erwartet, sieht sich aufs angenehmste enttäuscht. Still und edel liegt die MS Berner Oberland am Steg in Thun, das schönste aller Wyschiffe, «aber das darf man nicht sagen, sonst sind die anderen beleidigt», wie ein Aussteller hinter vorgehaltener Hand verrät.

Kundenkontakt im Mittelpunkt

Jeder Gast wird persönlich willkommen geheissen, erhält sein Degustationsglas und, falls gewünscht, Anleitung zur Verkostung. Die Atmosphäre ist angenehm ruhig und konzentriert, die Stände schlicht und stilvoll, bestückt mit edlen schwarzen Spucknäpfen. Sie hätten noch nie einen Betrunkenen gesehen auf den Schiffen, hört man an jedem Stand. Es bleibt genügend Raum, um in aller Seelenruhe zu verkosten und mit den Produzenten zu fachsimpeln. Das Gespräch mit dem Winzer, der Winzerin – das Gros der Aussteller besteht aus Selbstkelterern – ist das Nonplusultra des Wyschiffs und der Idee dahinter. Genau darum geht es: um den Kontakt zwischen Konsumenten und Produzenten. Kein Wunder, besteht strikte Anwesenheitspflicht für die Winzer.

Alle sitzen im gleichen… Wyschiff

Das erste bekannte Gesicht, das uns auffällt, gehört Jean-Daniel Porta aus Aran. Er ist zum vierten Mal in Thun, stellt aber auch auf dem Wyschiff in Luzern und Basel aus. «Man darf sich keine Illusionen machen», meint er, «es ist ein ziemlicher Aufwand, vor allem auch zeitlich, aber auf lange Sicht lohnt es sich. Wir wollen hier Deutschweizer Kunden zurückgewinnen und auch Junge ansprechen.» Und gelingt das? Durchaus! Auf dem Wyschiff Luzern etwa lernte Porta eine Gruppe von Weinfreunden kennen, die ihn bald darauf auf seinem Gut im Lavaux besuchten.

Es brauche einen langen Schnauf, bestätigt Willy Deladoëy, Produzent aus Bex (Domaine Le Luissalet), mit einem Bein in der Waadt und dem anderen im Wallis. Der Präsident ad interim der Fédération suisse des vignerons erzählt: «Im ersten Jahr schauen die Besucher bloss und wagen sich nicht an den Stand. Im zweiten probieren sie den Wein. Und im dritten bestellen sie dann…»

Trotzdem ist er überzeugt vom Konzept. Denn es besteht Handlungsbedarf: «Vor einer Stunde kamen ein paar Junge aufs Schiff, die gleich wieder kehrtmachten, als sie sahen, dass hier nur Schweizer Wein ausgeschenkt wird», erzählt der leutselige Willy Deladoëy in fast perfektem Deutsch. Oft fehle in der Schweiz der Stolz auf das eigene Produkt. Da sei das Wyschiff eine gute Möglichkeit, zu zeigen, wozu Schweizer Winzer in der Lage sind, und Restaurateure wie Private gleichermassen zu erreichen. «Viele Restaurants ziehen es vor, alle Getränke vom gleichen Lieferanten zu beziehen, das können wir nicht bieten.» Er schätzt auch die Offenheit unter den Winzern, die Freundschaften, die entstehen, den wachsenden Zusammenhalt. «Es ist wichtig, dass wir zusammenarbeiten», ist er überzeugt, «wir sitzen im gleichen Boot». Gerade im intimen Rahmen des Wyschiffs könne man Beziehungen knüpfen.

Das schätzen auch die Kunden, etwa Barbara und Peter Marbet aus Basel, die in Thun in den Ferien weilen. «Wir legen grossen Wert auf den persönlichen Kontakt zum Produzenten», betonen sie, «wir wollen die Geschichte hinter dem Wein kennen und uns beim Geniessen an schöne Momente und Begegnungen erinnern.»

Die Rückeroberung

Der Präsident, gewissermassen der Kapitän der Wyschiffe, den ein Hauch von Dandytum umweht, ist der zuvorkommende Jean-Pierre Cavin. Unterstützt wird er von Stephan Schnoz, dem Sekretär der Vereinigung und nach eigener Aussage «Zudiener von Monsieur le Président». «Wir sind eine grosse Familie von 37 Winzern», beginnt Jean-Pierre Cavin zu schwärmen, kaum dass er sich von seinem Stand (an dem er die Artisans Vignerons d’Yvorne vertritt) loseisen kann. Vor zwölf Jahren begann das Abenteuer in Basel, doch Monsieur le Président ist noch lange nicht müde: «Es gibt noch andere Seen, denen ein Wyschiff gut bekommen würde, Murtensee, Bielersee, Genfersee, Bodensee…»

Das Ziel der ganzen Aktion: die Deutschschweiz zurückerobern! «Die Diagnose ist unbestritten: Die Deutschschweizer Kunden kommen nicht mehr zu uns, also kommen wir zu ihnen.» Wir sind in diesem Fall die Westschweizer Produzenten, die den Löwenanteil der Schweizer Weinproduktion abdecken. Obwohl man auf der Ausstellerliste der Wyschiffe selbstredend den einen oder anderen Produzenten von diesseits der Saane oder aus dem Tessin findet. Mittlerweile besteht übrigens eine Warteliste von Produzenten für die fünf Wyschiffe in Rapperswil, Luzern, Basel, Thun und Zug.

Zu den wichtigsten Sponsoren gehört seit kurzem Swiss Wine Promotion. Zu Recht, sind doch die Wyschiffe wunderbare Schaufenster für Vielfalt und Reichtum des Qualitätsweinbaus unseres Landes. «In Zug, wo viele Expats leben, sind die Leute jeweils begeistert, wenn sie entdecken, was für tolle Weine die Schweiz produziert», erzählt Jean-Pierre Cavin stolz.

Der Kunde ist König

Jeder Aussteller lädt seine Kunden ein, daneben verkünden Plakate, Annoncen in Zeitungen oder Werbespots in Lokalradios, dass bald das Wyschiff vor Anker gehen wird. «Dank den sozialen Medien wie Facebook erreichen wir auch die jungen Leute, das ist uns besonders wichtig», betont Cavin. Der Besucherandrang hier in Thun hält sich in Grenzen, aber «weniger ist mehr. Uns interessiert die Qualität, beim Wein und den Besuchern. Unsere Gäste sind interessierte Weinkenner, also genau das, was wir suchen.» Die Jungen kommen in erfreulich grosser Zahl. Sie kennen sich meistens noch nicht so gut aus, sind aber offen und neugierig. «Wir wollen die Jungen für Schweizer Wein sensibilisieren, ihnen die Geschichten erzählen, die hinter jedem Wein, jedem Produzenten stehen», meint Ernst Born. Er, der im Auftrag von Swiss Wine Promotion für den Empfang der Gäste zuständig ist, nimmt sich ihrer gerne an und führt sie in die Geheimnisse der Degustation ein.

Vor dem Stand des jungen Winzerpaars Marylène und Louis Bovard-Chervet vom Château de Praz im Vully drängen sich auffallend viele Junge. «Wir waren von Anfang an in Thun dabei», erzählt Marylène, die auf diese Weise ein tragfähiges Beziehungsnetz aufbaut. «Zahlreiche Kunden, die wir hier kennenlernen, kommen uns auf dem Gut besuchen.» Die junge Önologin schätzt den Austausch. «Nicht zuletzt dank dem Echo der jungen Kundschaft haben wir unsere altmodischen Etiketten umgestaltet – jetzt kommen sie wesentlich besser an!»

Schaufenster für den Schweizer Wein

Ein alter Wyschiff-Hase und erklärter Fan ist Jean-François Chevalley aus dem Lavaux, seit acht Jahren auf allen Wyschiffen ausser in Basel präsent. «Das Wyschiff vermittelt ein sehr positives Image vom Schweizer Wein», findet er. Die Auswahl und die Qualität der Produzenten und ihrer Weine stimme. «Im Mittelpunkt steht nicht der eigene Wein, sondern der Schweizer Wein als Ganzes.» Ein verschmitztes Lächeln huscht über sein Gesicht: «Wir selber geniessen hier auch die freundschaftlichen Kontakte zu den anderen Winzern, die viel eher Kollegen als Konkurrenten sind. Abends gehen wir meistens miteinander essen, trinken ein Glas – und schlafen danach himmlisch.» Ohne Zweifel im Bewusstsein, dass das Wyschiff gut auf Kurs ist!

http://www.wyschiff.ch/