Die Schweiz muss in Japan mit Diskriminierungen rechnen
- Sonntag 04 Februar 2018
Im kommenden Jahr soll ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan in Kraft treten. Laut dem Bundesrat muss die Schweiz deshalb mit Diskriminierungen rechnen. Betroffen sind vor allem Agrarprodukte.
Die Schweiz verfügt zwar seit 2009 als einziger europäischer Staat über ein Freihandelsabkommen mit Japan. Dennoch gibt der Bundesrat zu bedenken, dass es im Handelsverkehr mit dem ostasiatischen Staat schon in naher Zukunft nicht nur zum Wegfall gewisser Wettbewerbsvorteile für die Schweiz kommen könnte, sondern auch zu Diskriminierungen. Die Gefahr solcher Diskriminierungen bestehe vor allem beim Marktzugang für Basisagrarprodukte und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte.
Japan kämpft mit einer Abwanderung vom Land. Das macht jetzt Zugeständnisse im Agrarbereich möglich.
Seco prüft Konsequenzen
Konkurrenz erwächst der Schweiz seitens der Europäischen Union. So hat die EU im Dezember vergangenen Jahres zusammen mit Japan den Abschluss eines Freihandelsabkommens bekanntgegeben. In Brüssel wird damit gerechnet, dass das Abkommen bereits im Laufe des Jahres 2019 in Kraft treten wird. Der exakte Wortlaut des Vertrags ist erst vor kurzem publiziert worden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist derzeit noch damit beschäftigt, dessen Inhalt und mögliche Konsequenzen für die Schweiz zu prüfen.
Die Warnung des Bundesrats findet sich in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme zu einer Interpellation von CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. In der Interpellation fordert die Vertreterin der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Japan eine Weiterentwicklung und Erneuerung des Freihandelsabkommens mit Japan. So sei man besorgt, dass die Schweiz in absehbarer Zeit damit rechnen müsse, auf dem japanischen Markt stärkerer Konkurrenz aus der EU ausgesetzt zu sein.
Mit ihrem Ansinnen rennt die Parlamentarierin beim Bundesrat offene Türen ein. So hat die Landesregierung gegenüber Japan schon wiederholt ihr Interesse an einer Weiterentwicklung des Abkommens signalisiert, und zwar im Rahmen eines Gemischten Ausschusses der beiden Länder. Letztmals habe man dies im Oktober 2016 getan. Angeregt wurde dabei eine Überarbeitung des Abkommens in den Bereichen Warenhandel, zolltechnische Aspekte und Handelserleichterungen sowie nachhaltige Entwicklung. Japan zeigte jedoch wenig Interesse an Anpassungen.
Erwartungen nicht erfüllt
Die Schweiz hat 2017 im Handel mit Japan einen Überschuss von 3,9 Mrd. Fr. erzielt. Die Exporte nach Nippon entwickelten sich dabei mit einem Plus um 0,7% auf 7,3 Mrd. Fr. deutlich träger als die Einfuhren, die um 11% auf knapp 3,5 Mrd. Fr. zulegten. Es ist seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass man in Bern mit den bisherigen Resultaten des Freihandelsabkommens nicht zufrieden ist; die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Um dies zu ändern, war Bundesrat Johann Schneider-Ammann bereits 2014 mit einer Wirtschaftsdelegation nach Japan gereist. Am Problem änderte dies aber nicht viel.
Wenn nun die Schweiz bei landwirtschaftlichen Produkten eine Benachteiligung fürchtet, kommt dies wenig überraschend. So sieht das bestehende Abkommen mit Japan kaum eine Liberalisierung des Agrarhandels vor. Entsprechende Konzessionen sind eher kosmetischer Art. So erhalten einige ausgewählte Schweizer Landwirtschaftsprodukte wie Trockenfleisch, Käsespezialitäten, Wein und Schokolade einen bevorzugten Zugang zum japanischen Markt. Im Gegenzug wurden Japan etwa Zollkonzessionen auf Reiswein (Sake) eingestanden.
Dass die damaligen Freihandelsgespräche relativ unkompliziert über die Bühne gingen, hatte denn auch vor allem einen Grund: Die beiden im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO zu den Netto-Lebensmittelimporteuren (G-10) zählenden Staaten einigten sich darauf, am Agrarschutz nicht zu rütteln. Der damalige Länderbeauftragte im Seco hielt nach Abschluss der Verhandlungen fest, die Schweiz habe die aussergewöhnliche Erfahrung gemacht, in Landwirtschaftsfragen für einmal offensivere Interessen vertreten zu haben als der Verhandlungspartner.
Ähnliche Sorgen in Südamerika
Mit dieser Zurückhaltung ist auch zu erklären, weshalb die Schweiz das Freihandelsabkommen mit Japan nicht – wie sonst eher üblich – im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) in Angriff nahm. Da dieser Ländergruppe neben der Schweiz und Liechtenstein auch Norwegen und Island angehören, hätten entsprechende Verhandlungen zwangsweise zu Debatten über die Fischereipolitik geführt. Daran hatte Japan aber wenig Interesse. Also einigte man sich auf die bilaterale Option.
Gegenüber der EU zeigte sich Japan dennoch bereit, seinen Markt für Agrarprodukte schritt- und teilweise zu öffnen. Beim Wein ist eine volle Liberalisierung geplant, während die hohen Zölle auf Käsesorten wie Gouda innert fünfzehn Jahren abgebaut werden. Bei anderen Käsesorten und bestimmten Milchprodukten wie Butter und Magermilchpulver wurden zumindest zollfreie oder zollermässigte Kontingente geschaffen. Im Gegenzug erhalten Japans Autobauer einen besseren Zugang auf den EU-Markt.
Das Arrangement lässt erahnen, dass die Schweiz kaum mit gleich langen Spiessen rechnen kann, wenn sie ihren Landwirtschaftssektor weiterhin vor ausländischer Konkurrenz abschottet. Die sich in Japan abzeichnenden Diskriminierungen ähneln den Nachteilen, mit denen die Schweiz auch in Südamerika rechnen muss. So steht die EU kurz vor dem Abschluss eines Freihandelsvertrags mit dem Mercosur, dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören.