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Warmer Winter: «Räumen Sie auf keinen Fall den Garten auf»

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Gabriele Heigl, Bild: Christian Murer
Bereits jetzt im Januar sind die ersten Bienen unterwegs und Rosen treiben Knospen aus. Ungewöhnlich früh. Allerdings sind nicht die derzeit warmen Temperaturen das Problem, sondern die vielleicht drohenden Kälteeinbrüche.

Auch wenn grosse Teile des Wallis derzeit im Schnee versinken – im Unterland ist es seit dem Jahreswechsel bisher ungewöhnlich warm. Das merkt man auch im Limmattal. Schneeglöckchen in voller Blüte, aus dem Winterschlaf erwachte Insekten, blühende Weidenkätzchen und sogar Rosen, die frisches Blattgrün und Knospen austreiben – das sind Naturphänomene, die schon sehr ungewöhnlich sind für wenige Tage nach Silvester.

Der Januar kann speziell sein, erfährt man von Stephan Bader, Klimatologe bei Meteo Swiss. «Es ist ein sehr variabler Monat. Die Temperaturmittel schwanken um zehn Grad.» Der letzte Januar etwa sei der kälteste seit 30 Jahren gewesen. «Die Schwankungen finden wegen des Klimawandels lediglich auf einem höheren Niveau statt.» Dennoch ist der frühlingshafte Start auch für Meteo Swiss ungewöhnlich: «Ein Blühbeginn Anfang Januar gilt als sehr früh.»

Ausflügler aktivieren den Stock

Früh dran sind auch die Bienen im Limmattal. «Sie fliegen bei den derzeit zweistelligen Temperaturen schon aus», meint der Oetwiler Hobby-Imker Mike Felder. Da sie aber nur wenig Futter finden, muss der Imker mehr zufüttern als in kalten Wintern, denn die Flüge verbrauchen mehr Energie. Ausserdem aktivieren die Ausflügler den ganzen Stock, der seit 21. Dezember mit der Brutpflege beschäftigt ist. «Das ist nicht ideal, tiefere Temperaturen wären schon besser», so Felder.

Auch Samuel Spahn vom Biohof Fondli würde sich tiefere Temperaturen wünschen. «Frost wäre gut für die Bodengare und schlecht für die Schädlinge, deren Populationen stärker reduziert würden.» Bodenfrost könnte der Landwirt auch für die Waldarbeit gut gebrauchen. Wenn die Böden dort nicht gefroren seien, sei die Arbeit durch den Matsch erschwert und die Stämme würden im Dreck liegen. Ein anderes Problem ist auch im letzten Jahr aufgetreten. Bei frühzeitig warmem Wetter treiben Pflanzen und Obstbäume zu früh. Spätfröste könnten dann zu starken Schäden führen. Spahn: «Gegenüber meiner Kindheit findet die Blütezeit um zwei bis drei Wochen früher statt.»

Milde Winter kein Problem für Weinbauern

Die Spätfröste hatten im April auch den Weinbauern zugesetzt. Im Vergleich zu von vor 50 Jahren finde der Austrieb zwischen zehn Tagen und zwei Wochen früher statt, meint Robin Haug, Weinbauer aus Weiningen und Geschäftsführer des Branchenverbands Deutschschweizer Wein in Wädenswil. «Wir hatten jetzt zwei Frühjahrsfröste hintereinander, davor 30 Jahre lang keinen einzigen.» Milde Winter seien für den Weinbauern dagegen kein grosses Problem.

Auch Christa Glauser, stellvertretende Geschäftsführerin Schweizer Vogelschutz aus Dietikon sieht die Wetterlage entspannt. Der Winter sei nur zeitweise und nur im tieferen Flachland relativ warm. Ab 800 Metern liege mehr Schnee als sonst. «Das Tauwetter im Flachland führt dazu, dass die meisten Vogelarten den Winter besser überstehen.» Bei längeren Frostperioden würde dagegen von einigen Arten wie Schleiereule oder Eisvogel bis zur Hälfte der Population sterben.

Vögel werden früh brüten

Aber auch sie beobachtet blühende Schneeglöckchen und Rosmarin in der Stadt Zürich. «Während sich Schneeglöcklein daran gewöhnt sind, eingeschneit zu werden, wird der Rosmarin mit kälteren Temperaturen Mühe haben. Die Blüten werden absterben.» Wenn die Temperaturen hoch blieben, würden die ersten Vogelarten im städtischen Bereich mit dem Brüten beginnen. «Folgen dann Kälteeinbrüche, kann es zu einem Brutabbruch oder zur Unterversorgung der Jungvögel kommen», so Glauser. Allerdings gebe es dann später eine Nachbrut.

Mehr in Sorge um die heimische Tierwelt ist die Naturfreundin und Hobby-Gärtnerin Elisabeth Bollier aus Bergdietikon. Einige Tiere könnten aus der Winterruhe erwachen, etwa der Grasfrosch, der von den Amphibien stets als erster ins Wasser hüpft. Wenn die Gewässer dann doch noch zufrören, gingen die Frösche ein. Bollier hat noch einen Rat für Gärtner: «Räumen Sie den Garten nicht auf und schaffen Sie kein Laub weg.» Das sei tödlich für viele Lebewesen, die an abgestorbenen Pflanzenteilen sässen und den Vögeln als natürliche Nahrung dienten.

Klimatologe Bader sagt in den nächsten Tagen kühleres Wetter vorher. Danach folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächste warme Südwest-Strömung.