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Nischenprodukte für Wiederholungs-Täter

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Alain Kunz

Andreas Pfingstl, Sommelier, Interalpen, Tyrol

Mittlerweile ist es amtlich, Parker-beglaubigt: Schweizer Weine sind Weltklasse. Und doch werden sie im Ausland kaum wahrgenommen. Wir haben die Probe aufs Exempel im Fünfsterne-Superior-Haus Interalpen Tyrol gemacht.

Ende Jahr hat Stephan Reinhardt, Ex-Redaktionsleiter des in der Schweiz herausgegebenen europäischen Weinmagazins «Vinum», seinen zweiten Schweiz-Report herausgegeben. Reinhardt verkostet für den Wine Advocate von Kritikerguru Robert Parker. Unter anderem ist er verantwortlich für die Wein-Schweiz.

Er war schon bei seinem ersten Report voll des Lobes und geizte nicht mit hohen Punktzahlen. Da wurden die Pinot Noirs von hiesigen Spezialisten für ihn ausgewählt.

Diesmal war er selber aktiv, degustierte in diesem Jahr 200 Weine bei seinen Schweiz-Besuchen. Und bewertete 90 (!) mit 90 Punkten und mehr!

Klar: Die Auswahl ist subjektiv und total willkürlich. Aber sie zeigt: Wir produzieren hier Weine auf höchstem Level! Und das flächendeckend in allen sechs Weinregionen. Am meisten 90-Punkte-Bewertungen erhielt (erwartungsgemäss) das Wallis mit 33, vor der Deutschschweiz mit 28 (wegen der Bündner Herrschaft ist die Zahl so hoch) und dem Tessin mit 13.

Das sind die höchstbewerteten Winzer:

Marie-Thérèse Chappaz ist die Parker-Überfliegerin. Ihr Süsswein Grain par Grain Petite Arvine 2014 wurde mit 96-97, der trockene Grain Ermitage Président Troillet 2015 mit 95-96, die süsse Grain Noble Marsanne Blanche 2014 mit 94-95 Punkten und der Grain Noble Petite Arvine 2014 mit 93-94 Punkten bedacht.

Offenbar war Herr Reinhardt an einer Cayas-Vertikale, denn der Vorzeige-Syrah von Jean-René Germanier kommt gleich 9-mal (!) vor. Die Höchstnoten kriegen die Jahrgänge 1999, 2005 und 2013 mit 94 Punkten. Man sieht also: Die totale Beliebigkeit ist der Rote Faden dieser Benotungen...

In der Herrschaft wurden drei Weine mit 93 Punkten bedacht: Der 2013 Pinot Noir Unique von Donatsch, der 2014er Malanser Pinot Noir von Studach sowie der 2013er Pinot Noir Rüeget von Tom Litwan, knapp gefolgt vom Pinot Noir Monolith von Obrecht mit 92+ Punkten, bei dem Reinhardt Weingut und Wein verwechselte. Kann ja mal passieren...

Im Tessin gabs 94 Punkte für den Merlot Sass 2013 von Christian Zündel. Dann drei Mal 93 Punkte: Für den Il Canto della Terra 2013 von Monti, Zündels 2013er Orizzonte und dessen 2014er Doddo.

Im Waadtland war die Topbewertung 92 Punkte und zwar für den Arvine Vieille Vigne sur Falaise 2014 von Steve Bettschen sowie den 2015er Le Chapitre Grand Cru La Côte von Henri Cruchon.
 
Das Dreiseenland wird dominiert von den Neuenburger Pinot Noirs. Die höchsten drei Bewertungen gehen alle an Jacques Tatasciore, an welchem Reinhardt einen Narren gefressen hat. 94 Punkte für den 2012er Les Rochettes, 93+ Punkte für den Les Rissieux 2012 und 92 Punkte für den 2014 Vieilles Vignes.

Und der klassenbeste Genfer ist der Fié Blanc 2015 von Jean-Pierre Pellegrin mit 90 Punkten.
 

Und was bedeutet das nun für das Ausland?

Werden die Weinkarten grosser Restaurants und Hotels in Zukunft vor Schweizer Weinen nur so strotzen? Natürlich nicht. Ausser Gantenbein (91+-Parker-Punkte für seinen 2014er Pinot Noir) macht sich niemand die Mühe eines gewichtigen Exportanteils. Konkret: Keine zwei Prozent unserer Produktion geht ins Ausland. Das ist der Hauptgrund.

Die Winzer brauchen den Aufwand des Auf-die-Beine-Stellens einer Exportorganisation nicht zu betreiben. Dass die Weine indes qualitativ schlecht seien, ist spätestens heute widerlegt. Für Insider war es schon seit Jahren klar. Und zu teuer sind die Weine auch nicht. Die besten Schweizer Pinot Noirs gewinnen jeden Preis/Leistungsvergleich mit dem Burgund locker.

«Schweizer Wein auf die Karte zu nehmen, ist eine Nischengeschichte», sagt Sommelier Andreas Pfingstl vom renommierten Fünfsterne-Superior-Haus Interalpen Tyrol in Telfs bei Seefeld. «Wir haben ein paar wenige Positionen. Dazu kam es, weil mit dem Weinshop Wagner aus Gmunden einer unserer Hauptlieferanten Schweizer Weine im Angebot hat. So habe ich den Zugang gefunden.» Die Produzenten sind namhaft: Pelizzatti aus Graubünden, Ruch aus Schaffhausen, Stucky und Zündel aus dem Tessin, Litwan au dem Aargau sowie die Domaine Cornukus aus dem Wallis. 

Auf der Karte des Interalpen sind aktuell folgende Schweizer vertreten: Weiss: Die Chardonnays von Pelizzatti und von Zündel, also der Dosso. Der Chasselas Noblesse du Terroir Lentine sowie der Petite Arvine Octaglaive der Domaine Cornulus.  Rot: Der Hallauer Pinot Noir von Markus Ruch und der Merlot Terraferma von Christian Zündel. That’s it. Man ist aber eher geneigt zu sagen:  Immerhin!

Und wie machen sich die Exoten vom Nachbarn bei den Interalpen-Gästen? «Dann und wann wird darauf zugegriffen» sagt Pfingstl. «Vor allem von Leuten, die gar nicht wussten, dass es in der Schweiz Wein gibt. Oder von Schweizern. Was auffällig ist: Viele werden zu Wiederholungstätern, weil die Qualität der Gewächse sie überzeugt.»

Dass sich ein paar wenige Schweizer auf eine Karte, die zu siebzig Prozent aus einheimischen Weinen besteht, verirrt habe, habe übrigens gar nichts mit der Besitzerfamilie zu tun, versichert Pfingstl. Das Hotel gehört nämlich den Liebherrs, deren Firmen-Hauptsitz bekanntlich in Bulle ist. «Die Familie hat nie gefordert, dass Schweizer Weine auf die Karte müssten», so Pfingstl. Die Hauptverbindung zwischen den Liebherrs und dem Wein seien deren Schränke, denkt der Sommelier. «Die sind Top-Qualität. Die Liebherrs trinken gerne ein Glas. Aber ich kann nicht sagen, dass jemand von ihnen in Wein ausgebildet wurde.»

Im Gegensatz zu vielen Schweizer Gästen des Fünfsternehauses: «Die sind klar die besten Kenner», sagt Pfingstl. «Sie sind die Interessiertesten und die Offensten in Bezug auf Jahrgänge und Empfehlungen.