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Swiss Wine Tasting: Überraschungen à la Schweiz

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Wolfgang Fassbender

Das Swiss Wine Tasting im Zürcher Schiffbau zeigte, dass der Schweizer Weinbau nicht nur für grosse Klassik, sondern auch für Schaum- und Süsswein sowie viele andere Überraschungen gut ist.

Wer Schweizer Wein im Keller hat, muss sich in der Regel nicht sorgen. Alterungspotenzial besitzen sowohl Weiss- als auch Rotweine – und das in einem Masse, welches den Aussagen der meisten Lehrbücher widerspricht. Die 2009er Sonderverkostung zeigte beim Swiss Wine Tasting, wie gut nicht nur kraftvolle Rote à la Merlot reifen, sondern dass auch Räuschling und Chasselas vielfach erst nach zehn Jahren ihre ganze Komplexität zeigen. Bei sorgfältig vinifizierten Weinen von besten Böden besteht nicht der geringste Grund zur Eile. Vor allem Chasselas entwickelt nach einem Jahrzehnt der Reife häufig eine würzige Zusatzdimension, die ihn zum idealen Essensbegleiter macht; nicht nur Käse profitiert, auch in Begleitung von Fischgerichten und Pasteten trumpft die Spezialität auf. Doch Chasselas ist auch da einsetzbar, wo viele Gastronomen bislang noch auf eine schweizerisch geprägte Weinbegleitung verzichten – beim Dessert nämlich. Was Patrick Fonjallaz in Epesses aus Chasselas herstellt, mit wenig Süsse beim Dézaley Récolte Choisie oder mit deutlich mehr Restzucker beim Passerillé, sorgte für Begeisterung. Solche Kreationen sind eine echte Bereicherung für die Schweizer Weinkultur, in der Süssweine ausser im Wallis immer noch ein Nischenprodukt darstellen.

Neue Vinifikationsmethoden und alte Sorten

Apropos bereichernd: Die Jungen Winzer der Schweiz zeigten nicht zum ersten Mal, dass Wein auch anders zu erzeugen ist, als es in den letzten Jahrhunderten üblich war. Orange Wine aus einer Assemblage verschiedener weisser Rebsorten oder ein ohne Schwefel abgefüllter Diolinoir? Das funktioniert, sofern der Winzer weiss, wie es geht und im Keller besonders akkurat arbeitet. Zum Glück haben die jungen, neugierigen Erzeuger nicht nur ein Faible für die neuen Methoden, sondern auch eine Leidenschaft für die alten Sorten. Cornalin, Humagne Rouge und Petite Arvine sind gefragt, der Marsanne gilt als Geheimtipp, und dass man auch aus Gamay Hochkarätiges keltern kann, wird immer deutlicher – etwa beim Gamay Sauvage der Domaine Grand’Cour aus Genf. Mit dem Rheinriesling, der in der Schweiz noch immer ein Dornröschendasein führt, sollte man sich als neugieriger Weintrinker ebenfalls befassen: Die Zürcher Weinkellerei Zweifel zeigt mit ihrer durchaus kraftvollen Interpretation des Rheinrieslings – bitte nie mit Riesling-Sylvaner verwechseln, der ja eine Kreuzung aus Riesling und Madeleine Royale ist! –, wie es gehen kann. Was den Riesling-Sylvaner angeht: Dass die Sorte unter unterschiedlichen Namen firmiert – auch der Begriff Müller-Thurgau ist populär –, sollte niemanden unnötig verwirren. In Rico Lüthis hundertprozentig korrekt bezeichnetem Riesling x Madeleine Royale ist sogar das Terroir des Zürichsees schmeckbar – und im Riesling-Sylvaner aus dem Rütihof glaubt man jene Konzentration wahrzunehmen, wie sie nur die alten Reben hervorzubringen wissen.

Das Geheimnis heisst Terroir

Wie sehr die Herausarbeitung des Terroirs, der besonderen, individuellen Einflüsse des Bodens, für die Winzer der Schweiz Bedeutung gewinnt, war auf dem Swiss Wine Tasting deutlicher zu spüren als je zuvor. In den Weinen von Tom Litwan aus dem Aargau, Valsangiacomo im Tessin oder der Domaine La Colombe in der Waadt, aber auch in den Produkten vieler Kollegen zwischen Basel und Wallis treten die Rebsorten ein Stück in den Hintergrund. Chardonnay oder Pinot Noir respektive Chasselas und Savagnin sind hier vor allem Mittel, um den Zweck zu erreichen: jenen nämlich, die Besonderheiten einer bestimmten Lage, einer Region, aber auch die Persönlichkeit des Winzers zum Ausdruck zu bringen. Und wenn die Rebe nicht alteingesessen ist, sondern neu entwickelt, dann muss das keinesfalls des Teufels sein. Weitgehend unbekannte Varianten wie die Neuzüchtung Souvignier Gris tragen dem immer stärker werdenden Aspekt des Umweltschutzes Rechnung: Das Weingut Dreistand experimentiert am Zürichsee erfolgreich mit der pilzwiderstandsfähigen, angenehm fruchtigen Sorte. Weniger zu spritzen, ist gewiss ein Konzept, das Zukunft hat.

Die Zukunft ist prickelnd – nicht nur zum Apéro

Apropos Zukunft: Mit dem Schaumwein hat die Schweiz traditionell nicht allzu viel im Sinn – was man schon beim Apéro erkennen kann. Während in Frankreich oder Italien meist Champagner beziehungsweise Spumante auf den Tisch kommt, schenkt der Gastgeber in der Eidgenossenschaft bei dieser Gelegenheit oft Chasselas oder Riesling-Sylvaner in die Gläser. Doch immer mehr Winzer denken neu. Strada zum Beispiel, das aus Pinot Noir gekelterte neue Projekt von Andrea Davaz im Kanton Schaffhausen. Überraschungen mit Schaum haben auch Irene Grünenfelder in Graubünden oder Enrico Trapletti im Tessin im Programm. Und wenn die Klosterkellerei Einsiedeln Sekt in einer Rosé-Variante keltert, heisst er Vivus und ist aus Pinot Noir und Chardonnay gewonnen. Das Rebsortenkonzept ähnelt zwar dem Champagner, aber Frische und Frucht sind in diesem Falle typisch schweizerisch. Wäre doch gelacht, wenn sich so was nicht auch in der Schweiz zum Apéro durchsetzen könnte!

 

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