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Paolo Basso - Athlet unter den Sommeliers und Wahlbotschafter für Schweizer weine

  • Freitag 01 September 2017
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Text: Sébastien M. Ladermann Foto: Studiopagi
Sich international zu etablieren erfordert, unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit, Talent und Einsatz. Um über seine eigenen Grenzen hinauszugehen, braucht es authentischen Wettbewerbsgeist. Das gilt auch für Sommeliers.

Bestimmte Sportlerkarrieren sind eindrucksvoll sowohl in ihrer Länge als auch dem Prestige der bestrittenen Wettkämpfe. Im Gastronomiebereich ist dies zugegebenermassen seltener der Fall. Doch noch bevor man Paolo Basso persönlich begegnet, sind es die unzähligen Auszeichnungen im Laufe seiner Karriere, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Bester Sommelier der Schweiz im Jahr 1997 und eine unglaubliche Serie von zweiten Plätzen zwischen 2000 und 2010 – drei Mal in Europa und dreimal der Welt – und dann das Nonplusultra: bester Sommelier Europas im Jahr 2010 und bester Sommelier der Welt im Jahr 2013.

Viele hätten schon eher eine hohe Meinung von sich – besonders in einer Branche, die seit jeher bei Pedanten und Grossmäulern beliebt ist. Wir begegnen jedoch einem bescheidenen und diskreten Menschen, soeben von einem von ihm gegebenen Meisterkurs in Hongkong zurück. Makelloser dreiteiliger Anzug, am Revers die kleine goldene Traube als Zeichen seiner Zugehörigkeit zum Beruf, eine feine Brille, diskreter und zuvorkommender Auftritt: Es besteht kein Zweifel, dass der Gastronomieexperte die Kunst der Höflichkeit, wie sie an den Hotelfachschulen gelehrt und an renommierten Institutionen ausgeübt wird, verinnerlicht hat.

Fast nichts hätte jedoch vorausahnen lassen, dass Paolo Basso eine Karriere in der Welt des Weins machen würde. Sein Grossvater, ein Schreiner, hatte einen reich bestückten Weinkeller, zu dem ihm als Kind der Zugang verboten war – was ihn noch reizvoller machte – und dessen Flaschen zum sonntäglichen Mittagessen geöffnet wurden. In seiner Familie ist jedoch niemand in der Weinbranche tätig. Allerdings hatte er schon immer einen ausgeprägten Geschmackssinn. „Ich erinnere mich an das gemeinsame Glaceessen mit Spielkameraden. Sie haben so schnell wie möglich gegessen, um spielen zu gehen, während ich in ihren Augen ewig lang mit dem Essen beschäftigt war“, erzählt er mit einem Augenzwinkern.

Und während seine Kameraden später Mechaniker wurden, entschied er sich für die Hotelfachschule in Sondalo in Italien, wo er die weite Welt des Weins für sich entdeckt. Eine Welt im geographischen Sinn mit den sehr unterschiedlichen Herkunftsländern, in denen er geistige Reisen unternimmt. Anschliessend kamen erste Karriereschritte in Crans-Montana. Ausgewählt hat er den Höhenkurort, weil er dort seinen beiden Leidenschaften abgesehen vom Wein, dem Ski- und Radfahren, nachgehen konnte. Die Walliser Reben weckten seine Neugier, und er nahm sich vor, mehr über die Besonderheiten der Schweizer Weine zu erfahren.

Dieser Wissensdurst bleibt Eric Duret, den er als seinen Mentor bezeichnet, nicht verborgen, und er ermutigt ihn, an Wettbewerben teilzunehmen. „Als jemand, der die Schule ein wenig früh verlassen hatte, entdeckte ich in diesem Moment das Vergnügen wieder, mich in Bücher zu vertiefen und mein Wissen zu erweitern. Zu meiner Überraschung kam es dann, dass ich im Jahr 2000 den zweiten Platz in der Sommelier-Weltmeisterschaft belegte“, sagt er ohne falsche Bescheidenheit. Dies geschah fast wie durch Zufall und fast zu leicht. Es folgten nämlich anschliessend verschiedene erfolglose Versuche, den ersten Platz zu erreichen.

Schliesslich merkte er, dass er seine Strategie anpassen musste. Um ganz nach oben zu kommen, musste er seinen Zeitplan flexibler gestalten und sich im psychologischen Bereich entwickeln. Er machte sich selbstständig und nahm eine Beratertätigkeit auf. Analog zu einem Profisportler musste er dazu den Gemüts- und Geisteszustand verstehen lernen, der Voraussetzung ist, aus Wettkämpfen als Sieger hervorzugehen. „Ich bin von Natur aus eher zurückhaltend. Die Sommeliers, die lautstark verkündeten, dass sie es auf das Gewinnen abgesehen hätten, schienen mir anmassend. Statistisch gesehen sind durch die hohen Teilnehmerzahlen und die strenge Auswahl die Gewinnchancen nämlich sehr gering. Ich musste also eine Wettkampfmentalität entwickeln – bisher war ich zu zögerlich vorgegangen.“

Der Erfolg zeigte sich in Form der so begehrten Auszeichnung zum weltbesten Sommelier im Jahr 2013 in Tokio. So schien die Weinwelt darauf aufmerksam zu werden, dass das kleine Land in der Mitte Europas ausser den Banken, Uhren, der Schokolade und dem Matterhorn auch talentierte Sommerliers vorzeigen kann. Und ganz nebenbei bebaut die Schweiz ein Mosaik aus Terroirs mit Rebsorten von Interesse.

In der weltweiten Weinsymphonie mit ihren etablierten und stimmgewaltigen Mitwirkenden sind für das Erringen seiner eigenen Nische natürlich Ehrgeiz und Ressourcen vonnöten. Da die Schweiz nicht zwangsläufig über die besten Startbedingungen verfügt, ist ein Botschafter wie Paolo Basso somit eine Chance, die es zu nutzen gilt. „Zusätzlich zu meiner Beratertätigkeit für grosse internationale Unternehmen unterstütze ich SwissWine bei der Bewerbung und Bekanntmachung der Schweizer Weine. Konkret bedeutet dies, dass ich mich an Veranstaltungen im Ausland beteilige und Leuten, die vielleicht absolut nichts vom Weinland Schweiz wissen, die Produkte des Landes vorstelle. Wenn die Weinindustrie ein wenig mehr auf die finanzielle Unterstützung des Bundes zählen könnte, würde den Schweizer Weinen im Ausland sicher viel mehr Erfolg zuteil!“

Seit mehr als 2000 Jahren werden auf dem Gebiet Reben angebaut, und die Schweiz kann mit 22 einheimischen Sorten punkten. „In den letzten zwei Jahrzehnten wurden auch qualitativ enorme Fortschritte gemacht. Einige Winzer, wie zum Beispiel Gantenbein in Graubünden, produzieren Weine, die im weltweiten Vergleich zu den besten gehören!“, meint der Sommelier begeistert und zählt darauf, dank der Glaubwürdigkeit, die ihm seine eigene Laufbahn verleiht, Schweizer Weine weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt zu machen.