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Integration auf dem Rebberg

Quelle /
Anne Welkener

Bild 1: Ursula Irion hat selbst lange im Ausland gearbeitet und ist als Kulturgeografin für die Integrationsthematik sensibilisiert. Ihr ist es ein Anliegen, Kritikern zu zeigen, dass Flüchtlinge nicht bloss eine Nummer sind, sondern einen Namen, eine Geschichte und ein Gesicht haben.

Bild 2: Da die Flüchtlinge keine Arbeitsplätze von Mitarbeitern gefährden sollen, übernehmen sie gemeinnützige Arbeiten in der Landschaftspflege. Zum Beispiel entfernen sie Bewuchs von Trockenmauern.

 

Drei Flüchtlinge leisten bei der Rebbau-Genossenschaft Spiez gemeinnützige Arbeit. Am Ende dieser Woche läuft die vom Kanton bezahlte Projektphase jedoch aus. Betriebsleiterin Ursula Irion zieht ein positives Fazit und hofft auf eine Weiterführung des Projektes.

Die Rebbau-Genossenschaft Spiez hat in den Augen von Betriebsleiterin Ursula Irion (47) nicht bloss die Aufgabe, guten Wein zu produzieren, sondern soll auch gesellschaftlich Verantwortung übernehmen. Deshalb bietet sie neben Bürgern aus der Region auch Flüchtlingen Arbeitsplätze. «Wir haben es in der Hand, ob die Integration ein Erfolg wird oder nicht. Wenn wir diesen Leuten keine Chance bieten, dann haben sie auch keine Gelegenheit, sich zu bewähren.»

Hilfe bei der Landschaftspflege

Im Herbst 2015 fragte eine Gemeinderätin bei Ursula Irion nach, ob es die Möglichkeit gäbe, Asylsuchende im Betrieb zu beschäftigen. Irion signalisierte Offenheit und nahm im Februar drei Männer – zwei aus Bangladesch, einen aus Afghanistan – in ihrem Team auf. Seitdem arbeiten die Drei täglich von 13.00 bis 17.00 Uhr im Rebbau, übernehmen aber nicht die Aufgaben der Angestellten. Irion legt Wert darauf, dass sie keine Arbeitsplätze gefährden und ausschliesslich gemeinnützige Arbeit verrichten, die der Gemeinde zugute kommt. Sie werden in der Landschaftspflege eingesetzt, indem sie beispielsweise Bewuchs an den Trockenmauern entfernen.

Gastfreundschaft wichtig

Anfangs habe es unter den Mitarbeitern schon Skepsis und eine gewisse Unsicherheit gegeben, erinnert sich Irion. Diese Ängste seien aber durch die Begegnungen und die gemeinsamen Kaffeepausen abgebaut worden. Irion und ihr Team haben schnell gemerkt, mit welchem Elan die Männer anpacken und welche Fortschritte sie durch den vormittäglichen Sprachunterricht machen. Besonders hilfreich sei gewesen, dass die Drei aus Kulturen stammen, in denen die Gastfreundschaft einen hohen Stellenwert hat. «Selbst wenn sie sonst nichts haben, sind sie es häufig, die in der Pause ein Stück Schokolade mit den anderen teilen», so Irion.

Andere sollen mitziehen

Finanziert wird der Einsatz vom Kanton: Drei Franken verdienen die Männer in der Stunde – zumindest noch bis zum Ende dieser Woche. Dann läuft das Projekt aus, und die Drei sind wieder ohne Beschäftigung. «Jetzt ist die Frage, ob der Grosse Rat vom Kanton Geld für die zweite Phase gibt. Wir wünschen uns ganz stark, dass wir sie weiter beschäftigen können», so Irion. «Das sind drei zähe Jungs und tolle Mitarbeiter.» Konkret lobt sie ihren respektvollen Umgang mit den Kollegen, die Pünktlichkeit und Leistungsbereitschaft. Der Schlüssel zum Erfolg sei nun, dass sich auch andere Betriebe bei der Integration beteiligen. «Wenn wir keine Arbeitsplätze schaffen und begleiten helfen, werden sie immer abhängig vom Sozialsystem sein. Wir müssen auch den Mut haben, in der Geschichte zurückzuschauen. Es ist noch nicht lange her, dass das Berner Oberland ein Ort der Emigration und nicht der Immigration war.»