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Schweizer Weine sind immer häufiger Bio

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Urs Bader
Anbauflächen und Umsätze steigen – der Bioweinbau ist in Bewegung. In den Rebbergen und in den Kellern wird viel experimentiert, mit altbekannten Methoden und neuen Sorten. Das Resultat: immer bessere Weine, ein immer vielfältigeres Angebot.

Der Bioweinbau in der Schweiz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Anbaufläche, produzierte Menge und Umsatz steigen. Im einschlägigen Marktspiegel von Bio Suisse, dem Dachverband der Bioproduzenten mit dem Label «Knospe», heisst es: «Das Jahr 2017 kann als Rekordumstellungsjahr bezeichnet werden.» Traditionelle Weinbaukantone wie Genf, Neuenburg, Waadt und Wallis verzeichnen ein überdurchschnittliches Wachstum. Der Deutschschweizer Markt ist aber immer noch der stärkste.

«Die Schweizer Bioproduzenten bilden heute eine so dynamische Szene wie nie zuvor.»

Daws schrieb Thomas Vaterlaus, Chefredaktor von «Vinum», zur Verleihung des Schweizer Bioweinpreises 2018. Zu jenen, die die Entwicklung im Bioweinbau überblicken, gehören Bruno Bosshart mit seiner Frau Esther und Schwägerin Romy Grimm in Berschis am Südfuss der Churfirsten. Sie sind Pioniere und an der Spitze noch immer dabei. Ende der 1980er-Jahre haben sie auf Bioweinbau umgestellt «und in den ersten Jahren ab und zu einen Schuh voll herausgezogen», wie Bosshart sagt. Inzwischen wisse man, wie das gehe. «Wir haben in den letzten Jahren mit unterschiedlichen Sorten viel experimentiert und Erfahrung gesammelt.»

Noch Vorbehalte gegenüber pilzresistenten Sorten

Die Winzergrossfamilie – der Betrieb wird bald einmal an die Söhne Philipp Bosshart und Mathias Grimm übergeben – produziert Weine sowohl aus der Traditionsrebe Pinot Noir als auch aus pilzwiderstandsfähigen (Piwi) Sorten wie Seyval Blanc, Saphira, Johanniter oder Cabernet Jura. Sie sind wenig anfällig auf Pilzkrankheiten wie Echter und Falscher Mehltau und auf Grauschimmel.

Obwohl immer wieder in beiden Bereichen ausgezeichnet, ist Bosshart überzeugt, dass die Zukunft im Weinbau den Piwi-Sorten gehört. Der Pflanzenschutz mit biologischen Mitteln wie Tonerde, Schwefel oder Kupfer könne auf ein notwendiges Minimum beschränkt werden. Bei Piwi-Reben wird immer noch intensiv geforscht, so dass ältere Sorten dieser Art auch mal durch neue ersetzt werden.

Es gibt aber noch Vorbehalte diesen gegenüber, vor allem in Gebieten, wo eine traditionelle Traube dominiert, wie im Tessin der Merlot. Diskutiert wird auch, ob Piwi-Züchtungen traditionelle Sorten imitieren sollen. Bosshard hält davon nichts:

«Neue Sorte, neuer Charakter, neuer Wein.»

Romy Grimm sagt: «Traditionelle Sorte oder Piwi hin oder her – der Wein muss einfach gut sein, muss Freude bereiten.»

Weisse Weine sind etablierter

Von Anfang an ausschliesslich auf Piwi-Sorten gesetzt hat das noch junge Bioweingut Sitenrain in Meggen bei Luzern. Auf dem Gut von Erika und Ueli Breitschmid-Heiniger wurden 2006 die ersten Rebstöcke gepflanzt. «Unsere Paradesorte ist der Solaris», sagt Benno Schwager, Winzer und Kellermeister. «Daneben gibt es noch den Souvignier Gris (weiss) und die roten Sorten Maréchal Foch und Cabernet Cortis.» Auf dem Markt seien die weissen Weine heute besser etabliert als die roten.

Als das Weingut gegründet wurde, stand der Biogedanke im Vordergrund – Piwi-Sorten empfahlen sich dafür. Es wird nun so wenig wie möglich Kupfer und Schwefel eingesetzt, man setzt auf Dauerbegrünung im Rebberg und verzichtet mit Rücksicht auf die Bodenlebewesen auf intensive mechanische Bodenbearbeitung. Manuelle Mehrarbeit an der Rebe, vor allem bei der eigenwillig wachsenden Solaris, nimmt Schwager in Kauf. «Hinzu kam damals, dass auf Sitenrain nicht einfach das gemacht werden sollte, was alle anderen schon machten, also nicht einfach mehr vom Gleichen», sagt Marcel Luther, verantwortlich für das Marketing. Der Erfolg zeige, dass man richtig entschieden habe.

«Konventionelle Produktion müsste deklariert werden»

Nochmals einen anderen Weg geht Marco Casanova in Walenstadt. Er setzt auf die biologisch-dynamische Methode.

«Ich will so viel wie möglich mit und so wenig wie möglich gegen die Natur arbeiten. Das beginnt im Rebberg und endet im Keller.»

Inspiriert ist die Methode von Rudolf Steiner. Casanova bezieht Sternenkonstellationen und Mondphasen bei der Arbeit mit ein, achtet darauf etwa beim Winterschnitt, bei der Ernte oder beim Abfüllen des Weins. Das Ausbringen von biodynamischen Präparaten wie Hornmist und Hornkiesel, aber auch von Pflanzenauszügen, etwa von Brennesseltee oder Schachtelhalm, soll die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern und die Pflanzen schützen helfen. Sulfite werden in der Weinbereitung nur so viel wie absolut nötig eingesetzt. Die Vergärung wird im Idealfall den Naturhefen überlassen, und biologische Reinzuchthefen werden nur im Notfall angewendet. Auch der Klärung des Weins hilft er wenn möglich nicht nach.

Die Indu­strialisierung des Weinbaus ist nicht Casanovas Sache. Er sieht die Entwicklung aber auch Richtung Bioweinbau, der stets einen Schritt voraus sei. Und er äussert die provokante Forderung: «Eigentlich müsste die konventionelle Produktion deklariert werden und nicht die biologische, die doch die natürliche ist. Wollen sich Bioprodukte im Markt durchsetzen, sind sie auf teure Zertifizierungs- und Kontrollverfahren angewiesen.»

Mehr Biorebbauflächen, wachsender Umsatz

Gemäss dem Marktbericht von Bio Suisse bewirtschafteten 2017 in der Schweiz 230 «Knospe»-Winzer rund 560 Hektaren Biorebbauflächen (2016: 421). Hinzu kommen rund 1000 Hektaren, die von 306 Betrieben gemäss dem Standard der Bioverordnung des Bundes bewirtschaftet werden, wie das Bundesamt für Statistik erhoben hat. Insgesamt betrug 2017 die Schweizer Rebfläche 14748 Hektaren.

Ein Grossteil des Bioweins wird ab Hof verkauft, der Rest über Vinotheken oder den Detailhandel. Ein grosses Angebot hat Coop, er führt laut Mediensprecherin Yvette Petillon 72 Bioweine im Sortiment mit «Fokus ganz klar auf Schweizer Weinen». Der Anteil Biowein an den Weinverkäufen insgesamt betrage etwas mehr als fünf Prozent. Der Umsatz in diesem Bereich hat sich von 2005 bis heute beinahe verdoppelt. Auch die Umsatzzahlen, die Bio Suisse erhebt, sind seit Jahren steigend.

Sie gehören zu den besten Biowinzern der Schweiz

Die im Beitrag oben vorgestellten Weinbaubetriebe haben beim Schweizer Bioweinpreis 2018 alle mit einem ihrer Weine den ersten Platz in einer der acht Kategorien erzielt: Bosshart und Grimm gewannen in der Kategorie «Cuvée rot» mit einer Piwi-Cuvée aus Cabernet Jura und Cascade, Walensee Südwind, Barrique, 2016. Das Weingut Sitenrain reüssierte bei den weissen Piwi-Sorten mit einem Solaris Barrique 2016. Und Marco Casanova schwang in der Kategorie «Traditionelle Rebsorten weiss» mit seinem Sauvignon Blanc, Seemühle 2017 obenaus.
Der Wettbewerb um die Bioweinpreise wird von der Fachzeitschrift «Vinum» unter dem Patronat von Bio Suisse durchgeführt, die damit die Qualität fördern will. Biowinzer des Jahres 2018 wurden nach 2015 zum zweiten Mal Karin und Roland Lenz im thurgauischen Iselisberg. 2017 war der Titel an Marco Casanova gegangen.

Die Auszeichnung erhält, wer mit seinem bestklassierten Weisswein und seinem bestklassierten Rotwein am Ende die höchste Durchschnittsnote erreicht. Roland und Karin Lenz ­bewirtschaften ihren Betrieb, das grösste Bioweingut der Schweiz, seit dem Jahr 1996 nach biologischen Richtlinien. Sie bauen je rund zur Hälfte traditionelle und pilzwiderstandsfähige Rebsorten an. 

 

Eine populäre pilzwiderstandsfähige Traubensorte, die feine Tropfen ergibt: die Solaris. (Bild Alamy)