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Divico trifft Divona

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Wolfgang Fassbender

Die neuen Schweizer Rebsorten schaffen ungeahnte Vielfalt

Den Pinot Noir kennt jeder, der Syrah ist auch Nichtweintrinkern von Australien bis Kalifornien ein Begriff, und für Chasselas und Gewürztraminer muss man keine Werbung machen. Doch die Schweiz ist längst nicht nur für Weine aus berühmten Rebsorten bekannt, sondern auch ein Paradies für neue Sorten. Vor allem solche, die ihrer besonderen Eigenschaften wegen eine Menge Arbeitsersparnis für den Winzer bedeuten. Nur ihr Bekanntheitsgrad lässt noch zu wünschen übrig: Ausserhalb der Schweizer Grenzen sind Divico und Diolinoir, Divona und Gamaret bislang nur wenig bekannt.

Ändern lässt sich das wohl nur allmählich – aber alle arbeiten daran, dass es so kommt. Dem Weinbauzentrum Wädenswil kann man am allerwenigsten vorwerfen, dass es zu wenig auf seine Tätigkeit aufmerksam machte. Im November 2018 verschickte die Forschungsinstitution am Zürichsee eine Einladung zur Präsentation von Divona, der ersten multiresistenten weissen Rebsorte von Agroscope, die aus Gamaret und Bronner gezüchtet wurde. 20 Jahre lang wurde geforscht, nun ist die Sache reif zur Präsentation. Ob der aus ihr gewonnene Wein auch im breiteren Anbau schmeckt, in schwierigen Jahren, von unterschiedlichen Böden, dürfte bald in herauszufinden sein. Und ob das Ergebnis ankommt beim Verbraucher, muss auch geprüft werden. Schliesslich geht es bei den Neuzüchtungen ja auch darum, wie sie am Markt wahrgenommen werden, ob ihr Stil gefällt und ob es etablierte Sorten gibt, die sich auf Dauer als zugkräftiger erweisen.

Resistent gegen Pilzkrankheiten: ein Vorteil im Weinberg

Würde es freilich allein um die Arbeitserleichterung im Rebberg gehen, spräche vieles für die neuen Sorten. Vor allem für jene, die wegen ihrer besonderen Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten gezüchtet wurden. So wie für Garanoir, eine rote, aus Gamay und Reichensteiner gezüchtete Sorte, die in der Schweiz bereits auf 229 Hektaren angebaut wird. Noch erfolgreicher ist Gamaret (430 Hektaren, gleiche Eltern), die es zur viertwichtigsten roten Sorte des Landes gebracht hat. Auch Diolinoir, aus Rouge de Diolly und Pinot Noir entwickelt, hat sich etabliert, während Divico, eine Züchtung aus Gamaret und Bronner, noch als Geheimtipp gilt. Von der multiresistenten Sorte schwärmen dennoch fast alle, die sie schon mal im Anbau ausprobieren konnten. „In normalen Jahren benötigt sie keinerlei Behandlung im Weinberg“, sagt der Walliser Winzer Didier Joris und lobt im gleichen Atemzug die geschmacklichen Eigenschaften, die Fähigkeit, bereits in der Jugend zu begeistern und sanfte Tannine mitzubringen. „Ein unkomplizierter, aber guter Wein.“ Steht schweizweit auf immerhin 30 Hektaren – besonders ausgeprägt im Kanton Genf, der sich eh zu einem Paradies der neuen Sorten entwickelt hat. 

Doch Divico & Co. bloss anzupflanzen, genügt nicht. Verkaufen muss man sie, die Newcomer, was nicht immer leichtfällt, wenn man die neuen, den Verbrauchern kaum bekannten Sortennamen aufs Etikett schreibt. Auszeichnungen bei nationalen Weinwettbewerben und die Bewertungen international renommierter Kritiker können da helfen, die Assemblage mehrerer Sorten zu einer roten Cuvée mit blumigem Namen auch. Der besonders neugierige Winzer Christian Dugon aus Bofflens hat auf diese Weise zahlreiche Erfolge erzielt, scheut sich aber auch nicht, Gamaret, Garanoir oder Mara (Gamay x Reichensteiner, 13 Hektaren in der Schweiz) reinsortig anzubieten. Erfolgreich!

Nachhaltigkeit als Argument für den Verbraucher

Man muss halt nur argumentieren können. Bei den hellschaligen Sorten vermutlich noch eher als bei den roten, denn im weissen Bereich sind viele Weintrinker bis auf die Knochen gewohnt an Chasselas, Sauvignon Blanc, Riesling oder Heida. Überzeugende Neuzüchtungen existieren hier nur wenige, etwa der in Deutschland gezüchtete Johanniter. Und nun vielleicht auch Divona. Peter Märki, Chef der Weibauschule Wädenswil, ist jedenfalls schon mal überzeugt. „Sie verfügt über Resistenzen gegenüber den wichtigsten Krankheiten der Rebe und gut geeignet für die Produktion von qualitativ hochstehenden Weinen.“ Und noch etwas ist wichtig für den Experten vom Zürichsee, und das hat mit Nachhaltigkeit zu tun. „Wir sind überzeugt, dass die toleranten Rebsorten für die Zukunft des Schweizer Weinbaus eine wichtige Rolle spielen werden.“ In Zeiten, in denen alle Welt von Umweltschutz spricht, kein unwichtiges Argument. Roland Lenz vom Bioweingut Lenz in Uesslingen (Kanton Thurgau) und einer der Deutschschweizer Spezialisten für pilzwiderstandsfähige Sorten im Weinberg, ist ebenfalls optimistisch, traut darüber hinaus den Kunden einiges zu. „Robuste neue Sorten mit teils richtig neuen Geschmacksaromen – das ergibt eine Innovationskraft die bei offenen Konsumenten gewinnt.“

Dass freilich Klassiker wie Räuschling, Cornalin und Merlot in den nächsten Jahrzehnten ganz verschwinden werden aus den Schweizer Weinbergen, ist kaum anzunehmen. Warum sollten sie auch, haben sie doch schliesslich den Ruf des Schweizer Weine begründet! Und an den allerbesten Chasselas aus dem Dézaley oder den feinsten je produzierten Pinot Noir aus der Bündner Herrschaft kommen bislang auch die erfolgreichsten Schweizer Neuzüchtungen nicht ganz heran. Noch nicht!