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Die besten Weingüter in Zürich Stadt und am Zürichsee

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Autor: Martin Kilchmann
Der Weinbau erlebt in jüngster Zeit am Zürichsee, aber auch in der Stadt Zürich, einen Boom. Ein besonders munterer Protagonist ist der weisse Räuschling.

Zürich – eine Winzerstadt?

Mit den horrenden Bodenpreisen und dem hohen Überbauungsgrad ist doch der Rebbau gar nicht möglich, denkt man sich. Irrtum. Alte Stiche zeigen, dass im 18. Jahrhundert praktisch alle geeigneten Grünflächen innerhalb und ausserhalb der Stadtmauern wie auch dem See entlang mit Reben bepflanzt waren. Als der Kanton Zürich im Abwehrkampf gegen die Reblaus vor 130 Jahren mit der Führung einer Rebenstatistik beginnt, zählte die Stadt immer noch 400 Hektar Reben, ein Mehrfaches das Seeland. Danach setzte dann allerdings schleichend der Niedergang ein, und die Weinberge verschwanden Hektare für Hektare.

Heute darf erfreulicherweise von einer Renaissance gesprochen werden. Zunächst zur Stadt: Hier beträgt die Anbaufläche wieder 14 Hektaren mit einem breiten Sortenspiegel von Riesling-Silvaner, Räuschling, Kerner, Gewürztraminer bis zu Pinot Noir, Prior, Merlot und Zweigelt. Grösster Winzerplayer der Stadt ist die Weinhandlung Landolt. Sie bewirtschaftet seit den achtziger Jahren 1.6 Hektaren in der Burghalde in Riesbach auf der rechten Seite des sonnenverwöhnten Südwesthangs gegenüber Wollishofen, daneben 1.36 Hektaren im Hottinger Sonnenberg unterhalb des Fifa-Gebäudes und winzige 0.3 Hek­taren in der Enge, im Rebberg Bürgli, in dem einst Gottfried Keller gewohnt hat und die zweite Fassung des Grünen Heinrich geschrieben hat. Und zu guter Letzt ist es Firmeninhaber Marc Landolt gelungen, vom Kanton Zürich den zweiten, 2.4 Hektaren grossen Burghaldener Rebberg unterhalb der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli zu pachten.

In der Folge einer Umstrukturierung lässt Landolt seit einigen Jahren seine Rebberge von der Firma Rebwerk pflegen und bei der zweiten traditionsreichen Zürcher Weinhandlung, der Weinkellerei Zweifel in Höngg, keltern. Marc Landolt und Walter Zweifel, Verwaltungsratsdelegierter von Zweifel, sind Schicksalsgenossen von Geburt an. Beide sind gleich alt, wurden 1962 am selben Tag innerhalb weniger Stunden im gleichen Spital geboren. Zweifel ist in der ganzen Schweiz für seine Pommes Chips bekannt. Die Weinproduktion ist jedoch älter und geht auf 1898 zurück. Später kam eine Mosterei dazu, und 1968 startete die Familie mit eigenen und gepachteten Rebbergen – unter anderen Chilesteig unterhalb der Kirche Höngg, in dem heute der Zürcher Stadtwein wächst. Die Mosterei wurde inzwischen aufgegeben, und die Chips werden mittlerweile in Spreitenbach fabriziert. 

In Höngg verblieben sind die Büros, ein Weinverkaufs­geschäft mit einem Sortiment von 1000 Weinen aus aller Welt und die geräumige, moderne Weinkellerei, in der Urs Zweifel, Walters Bruder, das önologische Zepter schwingt. Urs vinifiziert neben Trauben aus dem Kanton Zürich und Aargau fast die gesamte Ernte der Stadtzürcher Weinberge. Einzig die verschiedenen Varianten des Zürcher Stadtweins aus dem stadteigenen Gutsbetrieb Juchhof – Riesling-Silvaner, Räuschling, Pinot Noir und ein Schaumwein – werden derzeit von der Weinkellerei Paul Gasser in Ellikon an der Thur gekeltert.

Szenenwechsel von der Stadt aufs Land: Am Zürichsee beträgt die Anbaufläche inzwischen wieder rund 130 Hektaren. Was den Sortenspiegel betrifft, liegt bei den Weissen der Riesling-Silvaner vorne; der Pinot Noir bei den Roten. Eine Renaissance erlebt der Räuschling, der noch 1930 zusammen mit dem heute praktisch verschwundenen Elbling die wichtigste Sorte war und dessen Anbaufläche heute wieder rund 15 Hektaren umfasst. Seine Herkunft bleibt im Dunkeln. Jüngste Untersuchungen demaskieren ihn als Traminer-Klon mit einer Nähe zum Walliser Heida.

Könnte man den zartfruchtigen, säurebeschwingten Weisswein, der zu den Fischen aus dem See wie das Feuerwerk zum Züri-Fäscht passt, treffender benennen als Räuschling? Unbeschwerte Lebenslust klingt darin an. Und obwohl sein Name sich vermutlich vom robusten Laubwerk der Rebe herleitet, das im Wind besonders laut zu rauschen pflegt, geht nicht fehl, wer dabei an den leichten, beflügelnden Rausch denkt.

Für die Wiederbelebung ist zum einen die Forschungsanstalt in Wädenswil verantwortlich, die ertragsbeständigere Rebstöcke zu züchten wusste. Zum andern hielten ein paar wenige Weinbauern der Sorte über die Jahrzehnte hinweg die Treue. Müsste einem Räuschling-Retter ein Denkmal gesetzt werden, würde es beim alten Winzerhaus der Reblaube in Obermeilen stehen. Hier lebt und arbeitet die Weinbauerfamilie Schwarzenbach. Hermann Schwarzenbach, Grossvater des heutigen Besitzers Alain, ein legendärer Weinbaupionier, stellte als erster am Zürichsee vom Stickelanbau auf Drahtrahmen um und führte die Dauerbegrünung zwischen den Zeilen ein. Aus alten Räuschling-Reihen schnitt er Edelreiser und kam so zu tadellosem Pflanzmaterial, aus dem er und später sein Sohn Stikel Schwarzenbach charismatische Weine kelterten.

 

Weingüter in der Stadt Zürich

  • Weingut Landolt
    Marc Landolt ist der grösste Stadt­zürcher Weinerzeuger. Er bewirtschaftet in Riesbach, Hottingen und in der Enge beinahe sechs Hektaren Reben. Die Trauben (Riesling-Silvaner, Kerner, Räuschling, Gewürztraminer, Pinot Noir, Zweigelt) vinifiziert Urs Zweifel in Höngg.
  • Wein- und Obsthaus Wegmann
    Daniel und Zarina Wegmann pflegen in Zürich-Höngg in unterschiedlich grosser Stockzahl Riesling-Silvaner, Gewürz­traminer, Pinot Noir, Cabernet Dorsa, Prior, Gamaret, Regent, Cabernet Sauvignonund Merlot. Die Trauben werden von Urs Zweifel in der Weinkellerei Zweifel gekeltert.
  • Gutbetrieb Juchhof
    Der Juchhof produziert im malerischen Rebberg Chilesteig in Höngg die Trauben (Riesling-Silvaner, Räuschling, Pinot Gris, Pinot Noir) für den Zürcher Stadtwein. Ausgebaut werden die Weine bei Paul Gasser in Ellikon an der Thur.
  • Zweifel Weine
    Zweifel bewirtschaftet in Höngg in den Lagen Riedhof und Klingen zwei Hektaren Reben und vinifiziert auch die Trauben von Landolt und Wegmann. Daneben besitzt die Kellerei bedeutende Rebberge in den Zürcher Gemeinden Stäfa, Regensberg, Oberengstringen, Otelfingen und im aargauischen Remigen und keltert daraus teilweise spektakuläre Weiss- und Rotweine.

Ausgewählte Weingüter am Zürichersee

  • Diederik Michel, Küsnacht
    2014 konnte Didi Michel, früher Keller­meister bei Zweifel, zusammen mit seiner Frau Patricia den Rebberg von Gottlieb Welti in Küsnacht übernehmen. Rasch machte er mit präzisen, filigranen Weinen (Räuschling, Pinot Noir, aber auch Malbec und Merlot) auf sich aufmerksam. Ein 
    Zukunftsversprechen. 
  • Weingut Schipf, Herrliberg
    Historisches Weingut, seit über 120 Jahren in Besitz der Familie von Meyenburg. Auf 4.5 Hektaren wachsen an sonniger Lage Pinot Noir, Räuschling, Riesling-Silvaner sowie Spezialitäten wie Pinot Gris, Gewürztraminer, Freisamer und Chardonnay. Zuverlässige, solide Weinqualität.
  • Schwarzenbach, Meilen
    Nach einem Generationenwechsel führt Alain Schwarzenbach zusammen mit seiner Frau Marilen Muff das traditionsreiche, 9 Hektaren grosse Weingut. Erstklassiger Riesling-Silvaner, Räuschling, Chardonnay, Pinot Noir und Merlot. Der Räuschling Seehalde gehört zum Mémoire des Vins Suisses. 
  • Erich Meier, Uetikon am See
    Erich Meier ist innovativ, ein Tüftler, der sich am See in kurzer Zeit einen klingenden Namen geschaffen hat. Er bewirtschaftet in Uetikon 6.8 Hektaren Reben und keltert elegante, vielschichtige, «gastronomische» Weine aus Räuschling, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Pinot Noir, aber auch 
    Riesling, Viognier und Merlot.
  • Lüthi Weinbau, Männedorf
    Rico und Susan Lüthi bewirtschaften am Zürichsee 2 Hektaren beste Steillagen. Her­vorragend sind Räuschling, die selten angebaute Scheurebe und der Pinot Noir, Ricos Passion. Der Pinot Noir ist in den letzten Jahren immer eleganter und minerali­scher geworden.
  • Weingut Rütihof, Uerikon
    Monika Hasler und Matthias Bürgi sind bekannt für ihre eleganten, filigranen Weiss- und Rotweine aus den gebiets­typischen Sorten, aber auch aus seltenen Sorten wie Zweigelt oder Neuzüchtungen wie Cabernet Dorsa. Sie haben sich dem nachhaltigen Weinbau verschrieben und dürfen das Label «Fair’n Green» tragen. 
  • Weingut Höcklistein, Jona
    Das Weingut Höcklistein liegt zwar am Zürichsee, allerdings im Kanton St. Gallen. Mit einer Fläche von 10 Hektaren ist es das grösste zusammenhängende Weingut am See. Höcklistein gehört zum Schmidheiny-Besitz und wurde in den letzten Jahren unter der Leitung des Önologen Andreas Stössel komplett restrukturiert. Grossartiger Räuschling, Chardonay und Pinot Noir.